Im Jahr 2009 besuchte ich das erste Mal Grönland. Seitdem hat mich dieses Land nicht mehr losgelassen.

→ Zu Teil 1: So ist die Arktis: Grönland, Reise ins Eis

Einer der Höhepunkt jeder Reise in den Westen Grönlands ist sicher der Ilulissat Eisfjord, der seit einigen Jahren UNESCO Weltnaturerbe ist. Bevor wir uns aber aufmachen, die Massen der vom Inlandeis gekalbten Eisberge zu sehen, erfahren wir noch ein wenig über die Alltagskultur von Grönländern und werden zum „Kaffemik“ eingeladen, einer Käffchenklönstunde, die in Grönland Tradition hat.

Grönland Wohnzimmer mit Familie

Einladung zum grönländischen  „Kaffemik“

Kaffemik in Itilleq

Im Wohnzimmer der alten Dame bin ich fasziniert, weil Fotos von einer Beerdigung an der Wand hängen und von einem aufgebahrten Leichnam – ziemlich gewöhnungsbedürftig.
Die ältere Dame spricht ausschließlich Grönländisch, ihre Enkel allerdings sprechen Englisch und beantworten uns gerne viele Fragen. Ich halte mich allerdings ein wenig zurück, denn ich möchte keinen Tabubruch begehen und Grönland ist einfach – anders. Neu. Fremd. Ich bin ein wenig überfordert, weil ich nicht weiß, welche Fragen ich stellen darf, also taste ich mich vorsichtig politisch vor.

Einer der Enkel studiert in Dänemark, wie sehr viele junge Grönländer. Dänemark gibt einigermaßen viel Geld aus für grönländische Bildung sowie als Ausgleich für die sehr geringe Wirtschaftsleistung. Die Meinungen zur Selbstverwaltung sind geteilt: Natürlich notwendig, meinen viele stolze Grönländer. Andere denken besorgt über weiterhin notwendige finanzielle Hilfe Dänemarks nach. Der Enkel hier auf der Couch ist sich anscheinend nicht ganz sicher, für welche Seite er sich entscheiden soll.

Später treffe ich noch einen anderen Studenten. In Dänemark machen viele Grönländer schlechte Erfahrungen, berichtet dieser. Die Dänen seien ausgrenzend Grönländern gegenüber, fremdenfeindlich. Es ist etwas anderes, als mir die nette junge Frau im Flugzeug und auch unsere Tour-Guide-Frau erzählt hat. In mir macht sich die leise Vermutung breit, dass das Geschlecht hier nicht zufällig eine Rolle spielt: Grönländerinnen wirken auf mich angepasster, moderner als die Männer, was an der traditionellen grönländischen Männerrolle liegen könnte. Vielleicht fallen die grönländischen jungen Männer in Dänemark mehr auf, und im Zweifel ist auffallen oder „anders sein“ in jeder Gesellschaft kein wünschenswerter Zustand. Von meinen Reisen habe ich viele positive Erlebnisse mitgenommen aber auch die Erkenntnis, dass die meisten Gesellschaften dieser Welt nicht sehr fremdenfreundlich sind.

Das Leben ist schwierig, hier, wo es kaum Jobs gibt. Im Internet lese ich, dass das Arm-Reich-Gefälle in Grönland größer als in den meisten Ländern der Welt sein soll. Chancen sich hochzuarbeiten? Fast keine, denn es gibt ja kaum Arbeitsmöglichkeiten außerhalb der traditionellen Fischerei. Die Frauen bleiben nach ihrer Ausbildung daher häufig in Dänemark und kommen nicht zurück. Die Selbstmordrate in Grönland soll eine der höchsten der Welt sein.

Grönland Häuser mit Zahlen auf den Dächern

Die Buchstaben auf den Dächern gaben den Amerikanern im 2. Weltkrieg Orientierung beim Überfliegen.

Anlanden in entlegenen Ortschaften

Die MS Fram, das Schiff der Hurtigruten, mit denen ich diese Grönland Kreuzfahrt unternehme, bringt ein paar benötigte Vorräte von Kangerlussuaq in die entlegenen Ortschaften mit. Bis heute gibt es kaum Straßen, und während im Winter viele Ortschaften durch Hundeschlitten relativ leicht erreichbar sind, sind diese im Sommer abgeschnitten und nur über den Seeweg erreichbar.

Wir werden deshalb häufig schon erwartet und bekommen als Gegenleistung freundliches Winken und auch mal eine Einladung, einem traditionellen Tanz zuzugucken.

Dorf mit herzförmigem Berg im Hintergrund

Uummannaq heißt: Robbenherzförmig.

Grönlandhund

Grönlandhunde überall: Es ist Sommerpause.

Traditionen werden – so wird es uns vermittelt – heute unterstützt und traditionelle Kleidung wird wieder getragen. Wie authentisch das alles ist, ist schwer zu sagen, aber vielleicht auch nicht so wichtig. Dass Grönland vor allem im Tourismus seine Chancen suchen muss, ist mir mittlerweile klar geworden.

Traditionelle Kleidung von Grönländern

Traditionelle Kleidung von Grönländern

Der Ilulissat Eisfjord

Am Ende meiner viel zu kurzen Grönland Reise geht es ins arktische Eis: Der Gletscher Eqip Sermia kalbt nahe Ilulissat ins Meer und Hurtigruten spart sich diesen Höhepunkt nicht umsonst bis zuletzt auf. Der Wanderweg zum grandiosen Blick auf die Gletschermassen, die sich hier vorwärts schieben, ist mit Hölzern ausgelegt, um den sehr empfindlichen Permafrostboden zu schützen. Glücklicherweise existiert hier ein Bewusstsein, wie sensibel die Umwelt in der Arktischen Tundra ist und wie wichtig, sie vor den stetig anwachsenden Touristenmassen zu schützen oder auch, sie überhaupt für den Tourismus zu öffnen.

Als sich der Blick über die Eismassen öffnet, muss ich kurz Luft holen, so fantastisch sieht es aus. Es ist der Moment, in dem ich mich unsterblich ins Eis verliebe.
Steht man ganz still merkt man, dass das Eis keine feste Masse mehr ist sondern sich in unendlicher Langsamkeit vorbeischiebt – es hat sich bereits vom Gletscher gelöst und schwimmt langsam Richtung Meer. Es knarrt und grollt und knatscht dabei leise und stetig.

Ilullissat Eisfjord in Grönland: Eiswüste am Equip Sermia

Eiswüste in Ilulissat am Equip Sermia

Mit dem Boot fahren wir direkt zwischen das Eis. Das Wetter ist inzwischen ruhig geworden, kaum eine Brise bewegt das Wasser. Stille Riesen in Weiß liegen auf dem tiefen Blau – ein unwirklicher Anblick.
Eine Lektorin des Schiffes erzählt, dass sie hier schon seit 20 Jahren forscht und die Eismassen damals weit größer waren. Dennoch ist es für mich ein grandioses Erlebnis: Den stahlblauen Himmel trübt keine Wolke, das Wasser spiegelglatt, oben und unten das gleiche Blau, dazwischen die weißen Eisberge. Ein Traum zum Fotografieren.

Das arktische Eis: Grönland, Eisberg im Ilulissat Eisfjord

Das arktische Eis: Grönland Eisberg im Ilulissat Eisfjord

Die Blendenautomatik meiner geliehenen Kamera versagt allerdings völlig durch das gleißende Licht. Ich muss mich an dieser Stelle entschuldigen: Ich habe damals noch keine Ahnung vom Fotografieren gehabt. Ein Grund, weshalb ich unbedingt noch einmal zu diesem grandiosen Fjord zurückkommen muss.

Grönland Eis: Perfektes Wetter am Ilulissat Eisfjord

Eisberg in Grönland

Eisberg in Grönland

Grönland Eis

Der letzte Tag: Fußballspielen in der Arktis

Am letzten Tag der Reise gibt es traditionell ein Fußballspiel: Crew und Gäste gegen Grönländer.

Fußball in Grönland

Zum Abschluss wird Fußball mit Grönländern gespielt

Fußballspiel, großes Durcheinander

Wer gewinnt ist eigentlich egal.

Es ist bunt und durcheinander, und ich kann mich bei bestem Willen nicht erinnern, wer gewonnen hat. Ein schöner Abschluss einer ganz besonderen Reise.

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Für Eisliebhaber:

Tipp: Wer weitere Touren der Fram verfolgen und viele Bilder sehen und Geschichten lesen möchte, dem sei der Framblog empfohlen.