Gestern ist mir vielleicht was passiert! Nein, gleich zurückrudern, das war gar nicht so aufregend. Also so generell, für mich persönlich aber schon.
Gestern hetze ich von der Arbeit los, um mir vor dem Ukulele-Unterricht noch eben was vom Asiaten zwischen die Zähne zu schieben. Am Zoo halte ich also fix bei der Asiafrau und hole mir eine Veggiebox Nudeln (nicht empfehlenswert! Davon abgesehen, dass mir die Frau da Huhn reingequetscht hat, wirkten die Sprossen aufgewärmt, aber egal, in der Not…).
Mein Musiklehrer wohnt über die Spree rüber, ist doch ne gute Gelegenheit, mich für knappe acht Minuten da hinzusetzen, denk ich, und das schöne Wetter zu genießen während ich das Zeug in mich reinwürge.
Nudelbettelnde Krähen
Als ich an die Spree komme werde ich gleich mit einer der großen Menschheitsfragen gequält: In die Sonne setzen und auf die dunkelgraue Nicht-Sonnenseite gucken oder auf die Schattenseite und den hübschen Sonnenausblick genießen?
Ich gebe die Frage mal weiter an Euch. Ich habe mich jedenfalls für die Schattenseite entschieden, zugegebenermaßen auch, weil die Sonnenseite einen kleinen Umweg bedeutet hätte, und ich hatte ja nur acht Minuten.
Als ich da so schön auf der Bank sitze, meinen Nudelasiafraß in mich hineinstäbchele und auf die Spree gucke kommt eine Krähe angebettelt. Doch, echt wahr, die hat eindeutig gebettelt. Und ich kann ja bettelnden Tieren nicht widerstehen, ist ganz schlimm.
Also picke ich eine getrocknete Zwiebeln aus der Box raus, ich denke, das ist vielleicht für ihren Bauch besser als Sojasprossen – und werfe. Das klebrige Teil lässt sich aber nicht gut werfen und landet nur eineinhalb Meter vor mir auf dem Boden, tja.
Sie traut sich nicht, die feige Nuss. Hockt da und guckt mich an und legt das Köpfchen schief. Dann, so langsam, trippelt sie immer hin und her und lässt mich dabei weiterhin nicht aus ihren Äuglein.
Ich finde ja Krähen irgendwie toll: Sie können fliegen, sie sind mega schlau und sie gucken ein bisschen fies – das mag ich.
Ich werfe nochmal, dieses Mal klappt es besser. Zack, ups, ausspucken, nochmal probieren, geht doch. Ja, schon klar, das ist wirklich kein Göttermahl, aber ich muss es ja auch essen, wir sitzen im gleichen… stehen am gleichen… ich weiß auch nicht. Isjaegal.
Ich werfe weiter und fange an, in meiner Nudelbox mit den Fingern zu wühlen, weil da so wenig Zwiebeln drin sind, und denke nun wenigstens nicht mehr dran, das Zeug selber zu essen.
Jedes Mal, wenn ein Fahrradfahrer vorbeikommt oder eine Frau mit Kinderwagen, hüpft die Krähe schnell hinter das Spreegeländer – sie scheint so eine Art Mindestabstand zu halten.
Pick!
Auf einmal hat sie sich doch getraut. Während ich einem Fahrradfahrer hinterhergeguckt habe, ist sie nah an mich ran und hat die allererste Zwiebel aufgepickt, die, die zwischen den Blättern gar nicht mehr zu sehen war. Mann, muss die gute Augen haben, oder ein gutes Gedächtnis.
Natürlich schmeiße ich wieder was hinterher, irgendwie freu ich mich genauso wie sie, so hat’s den Anschein, dass sie sich getraut hat.
Die Essensschlacht bleibt nicht lange unbeobachtet, die nächste Krähe kommt. Und dann die Nächste.
Meine getrockneten Zwiebeln sind alle, ich mache mit den Nudeln weiter. Noch während ich überlege, wie bescheuert das vermutlich aussieht, dass ich nudelnwerfenderweise hier an der Spree rumsitze (und ja, auch mit ihnen rede!), fangen die Krähen an, sich zu bekabbeln, was das Zeug hält. Und nein, davon gibt es kein Foto, denn ich war mit der gerechten Nudelverteilung schon schwer überfordert.
Aber man staune: Nicht die große dicke Mamma ist hier tonangebend sondern so ein kleines, dürres, zerrupftes Etwas, siehst Du mal, das ist vielleicht wie bei Huskies, da ist auch der oder die Schlaueste tonangebend und nicht der körperlich Fitteste.
Auch die Neulinge trauen sich mehr und mehr zu und kommen mir immer näher – überraschenderweise innerhalb von wenigen Minuten.
Und als sie da so vor mir stehen und ich die Nudelreste an ihren Schnäbeln kleben sehe, muss ich an ein Gedicht denken, das mein Opa gerne rezitiert hat:
Die Nudel*
Beim Mittagsmahl im Vogtland saßen
fünf Menschen welche Nudeln aßen,
der Mann, die Frau und noch drei Rangen.
Da blieben an dem Bart dem langen
des Vaters einige Nudeln hangen.
Drauf sprícht der erste zu dem zweiten Rangen:
„Sieh, Fritz, wie an dem Bart dem langen
an Vadders Maul die Nudeln hangen.“
Drauf Fritze spricht: „Wie kannst Du’s wagen
zu Vadders Schnauze Maul zu sagen!“
Der Vater, wütend, will sie schlagen
und alle gleich vom Tische jagen
und selbst der Kleinste, kaum drei Jahr
– husch – unterm Tisch verschwunden war.
Drauf spricht der Vater zu dem Kleinen:
„Komm, Justav, vor, du brauchst nicht weinen.“
Doch Justav immer weiter kroch:
„Neenee Du Aas, Dir kenn ick doch!“
*Ok, ich gebe zu, um das Gedicht hier korrekt zu rezitieren musste ich heute früh meinen Daddy anrufen. Der ist da wie sein Vater und konnte das natürlich aus dem Effeff…