Am 4. Dezember starteten wir mit der MS Hanseatic von Ushuaia aus erst einmal Richtung Falklandinseln, die noch nicht ganz zum Südpolarmeer, dem südlichen Ozean, gehören, denn sie liegen nördlich des 60. Breitengrades, der die (politische) Grenze der Antarktis markiert.
Das gilt ebenfalls für das anschließend besuchte Südgeorgien, jenes liegt jedoch innerhalb der antarktischen Konvergenz, jene Zone, in der das kalte antarktische Wasser auf das warme nach Süden fließende Wasser trifft. Diese Zone ist die Grenze des Südpolarmeeres und gleichzeitig auch die geografische Grenze der Antarktis.
Während wir uns also noch beim Glühwein in der Explorer Lounge der MS Hanseatic darum streiten, wo denn nun die Antarktis beginnt, haben wir bereits den 4. Advent, befinden uns auf der – leider sehr ruhigen – Drake-Passage (der Mann und ich hatten ja auf ein bisschen Schiffshopserei gehofft) und sind von der Antarktis auf dem Rückweg nach Norden. Daher ist Zeit, ein kurzes Resümee über diese Reise zu ziehen, die seit Jahren mein Traum war und nun zum großen Teil hinter mir liegt.
Eines sei ausdrücklich erwähnt: Wir hatten ein unglaubliches Glück mit dem Wetter! Auf Facebook habe ich tolle, begeisterte Kommentare von Euch bekommen, viele von Euch möchten jetzt in die Antarktis reisen. Aber: Jede Reise ist völlig anders, so wie jeder Eisberg ein Unikat ist. Wir hätten auch fünf Tage lang nur Sturm und keine Anlandung haben können; kein spiegelglattes Wasser, welches die Berge und Eisberge so schön in doppelter Formation zeigt, Schneeregen, der auf die Fotolinse fällt. So war es auf meiner ersten Reise vor drei Jahren.
Höchstwahrscheinlich gibt es bei einer anderen Reise keine riesigen und Unmengen von Tafeleisbergen, wie wir sie hatten, dafür vielleicht irre Eis-Skulpturen. Letztere haben wir dafür auf dieser Reise nicht gesehen. Man sollte unbedingt auch die grauen Töne lieben und sich mit Neugier auf die Reise einlassen, bei der niemand weiß, was sie beinhalten wird, nicht einmal der Kapitän oder der Expeditionsleiter.
Diese Reise hier war jedenfalls gigantisch, unglaublich, mit extrem viel Sonnenschein gesegnet und ich kann es kaum abwarten, Euch davon in Einzelheiten zu erzählen.
„Alltag“ auf der MS Hanseatic
Ich habe weniger schreiben können als ich dachte, was gar nicht unbedingt daran lag, dass wir hier auf der MS Hanseatic irgendwie ständig auf Trab gehalten werden – Anlandungen und Zodiacausfahrten, Vorträge, Essen (ja, essen! 6 Gänge dauern schon ein Weilchen…), Interviews führen -, sondern weil ich abends so unfassbar müde war. Nicht einmal habe ich am Abend in der Explorer Lounge gesessen und dem Pianisten oder der Band zugehört, sondern entweder mit müden Augen noch ein paar Fotos durchgeschaut und auf Facebook gepusht oder bin einfach schlafen gegangen. Ich habe unfassbarerweise nicht einmal die Sauna besucht.
Der Grund ist vermutlich, dass ich hier tagsüber jede Minute auf 180 laufe, noch ein Foto von Deck, guck mal, der Eisberg da, oh, ein Wal, schnell das Tele drauf, habe ich den Berg dort drüben abgelichtet, der sieht ja so toll aus, war da nicht jetzt ein guter Vortrag über Pinguine? Keine Ruhepause in meinem Kopf, was schade ist, einerseits, aber wohl verständlich, wenn man sich in der Region befindet, in die man sich verliebt hat und die man so irre aufregend findet und man auch gar nicht weiß, ob man in seinem Leben hier noch einmal herkommen wird.
Die Falklandinseln
Wir erreichen das Naturparadies der Falklandinseln (oder Malvinas, wie die Argentinier sagen) bei sehr stürmischem Wetter. Die erste Anlandung fällt somit aus und ich muss leider wieder einmal auf die Sichtung der knuddeligen Rockhopper-Pinguine verzichten. Dafür haben wir mehr Zeit in der kleinen Hauptstadt Port Stanley, in der zwar nur ca. 2000 Menschen wohnen aber anscheinend doppelt so viele Autos, jedenfalls muss man auf der „Hauptstraße“ wirklich aufpassen, insbesondere weil ja Linksverkehr herrscht. British durch und durch.
Im Passagen-Blog von Hapag Lloyd habe ich bereits ein bisschen über Port Stanley und einen besonderen Bio-Bauern erzählt. Ja, auch wenn die Falklandinseln häufig „subantarktisch“ genannt werden, liegen sie geografisch natürlich nicht in der Antarktis und sind sogar mit Stränden gesegnet, die auf dem Foto aussehen wie die Karibik. Es gibt Wale, Delfine, Robben, Seeelefanten, Pinguine – ein Traum für Outdoorer. Ach und nicht zu vergessen die hässlich-hübschen Truthahngeier: Wahnsinnig schönes Federkleid, geierartiger Kopf.
Südgeorgien
Königspinguine! Das ist, was mir zu Südgeorgien als erstes einfällt, denn Königspinguine sind natürlich etwas ganz Besonderes und an Bord ist sogar eine Dame, die nur wegen der Königspinguine ein zweites Mal diese Reise macht, obwohl sie eigentlich gar nicht noch einmal in die Antarktis wollte. Aber die Königspinguine und die „Kaffeewärmer“, wie die Expeditionscrew die süßen Kleinen nennt, sind einfach ein Knaller.
Dabei waren wir nicht einmal bei der größten Kolonie, denn auch dort war es zu stürmisch für eine Anlandung. So ist das eben in der Antarktis, man sollte damit rechnen, dass mindestens jede zweite Anlandung ausfällt.
Der Mann lernt schnell, dass man sich vor Seebären („Pelzrobben“) in Acht nehmen muss. Wir sehen tatsächlich neugeborene Seebären, die Winterstiefel-Schuhkartongröße haben und eher aussehen wie Igel mit großen Augen und Flossen. Meinen Milcheinschuss konnte ich gerade noch verhindern.
In Grytviken, der alten Walfangstation Südgeorgiens, beschauen wir die Überreste der Walfänger, zwischen denen Seeelefanten verteilt sind. Anschließend gibt es heiße Schokolade vor der Kirche, in der ein Orgelkonzert für uns abgehalten wird – es wird ein bisschen weihnachtlich und ich kann mir vorstellen, wie schön hier das Weihnachtskonzert sein muss, was die Passagiere der Hanseatic bei der Weihnachtsreise hier erleben können, wie mir der Kreuzfahrt-Manager erzählte.
Über Südgeorgien gibt es natürlich noch viel mehr zu berichten, das kommt dann beizeiten, auch wenn einige Anlandungen dort nicht geklappt haben.
Überquerung des 60. Breitengrades & die Südorkneyinseln
Hat man Glück und ein antarktisch-erfahrenes Team (Kapitän & Expeditionsleiter) an Bord und fährt mit einer Reederei, die diesem Team genügend Spielraum einräumt, ist so ein Ausfall einer Anlandung aufgrund der Wetterbedingungen oder auch wenn eine Durchfahrt z.B. wegen zu viel Eis nicht möglich ist einfach Teil der Reise und spannendes Element.
In unserem Fall verlassen wir Südgeorgien bereits nach zwei Tagen verfrüht, weil die Wetterkarten einen herannahenden Orkan zeigen. Unser Kapitän, der übrigens knapp jünger ist als ich, beweist ein tolles Gespür für die Fahrtroute und nutzt den „freien“ Tag für einen Umweg über die Südorkneyinseln – ein Traum! Die Südorkneyinseln liegen ziemlich fernab östlich gelegen zwischen Südgeorgien und den Südshetlandinseln und sind meistens in Schlechtwetter gehüllt.
Uns hingegen erwarten die rauen Inseln mit schönstem Sonnenschein, da haben wir bereits die Ahnung, dass diese Reise unter einem besonderen Stern steht.
An diesem Punkt haben wir nun auch den 60. Breitengrad überschritten und befinden uns somit geografisch und politisch in der Antarktis.
Da außerdem zweiter Advent ist, lädt der Hotelmanager – ebenfalls in meinem Alter und ein super sympathischer Typ – auf das Vorderdeck zu einem Glühwein ein. Es herrscht erste Feierstimmung, denn wir stehen an Deck eines wunderbaren Schiffes mitten in der Antarktis mit einem Glühwein in der Hand und Ausblick auf schöne Eisberge und die südlichen Orkneyinseln. Wenn das mal kein Traum ist.
Eine Reise in die Antarktis ist… flexibel
Übrigens hatte ich ein kleines Gespräch mit dem Chef Ingenieur, und wenn ich mir die Zahlen richtig aufgeschrieben habe, kann man Folgendes ausrechnen:
Der Umweg über die Südorkneyinseln hat uns über 300 Seemeilen zusätzlich beschert. Für eine Seemeile verbraucht das Schiff 80 Liter Diesel, macht also insgesamt 24.000 Liter Diesel an Extraaufwand, was – nunja – nicht gerade ein Superschnäppchen sein dürfte.
Das ist also ein ziemlicher Wahnsinn und man merkt, was für ein Spielraum für den zufriedenen Kunden eingeräumt wird – ja, da war ich ziemlich beeindruckt.
Was alles hinter so einer Schiffsorganisation steht, davon habe ich leider nur einen winzigen Hauch einer Ahnung. Vom Proviant, Service, Wäscherei, Küche, etcetc. abgesehen gehört ja zu so einer Reise, dass Slots für Anlandungen gebucht werden müssen, wenn man in der IAATO ist, der Organisation, die sich für den umweltfreundlichen Tourismus in der Antarktis einsetzt, denn es darf z.B. nur ein Schiff bei den erlaubten Anlandeplätzen sein. Auf einer Reise, bei der ständig die Route flexibel gehalten und Stops in der Reihenfolge aufgrund von Wetter- und Eisbedingungen geändert werden muss, gehört ein gutes Verhandlungsgeschick des Expeditionsleiters dazu, der sich mit anderen Schiffen einigen muss.
Anlandungen
Angelandet wird mit den polartauglichen Zodiacs. Expeditionsleiter Arne Kertelhein begrüßt unser Boot und erklärt, wohin wir gehen dürfen und was es wo zu sehen gibt („Links am Strand lang, rechts die alte Walstation, den Hügel rauf eine Wanderung – um 17.30 Uhr geht das letzte Boot von Land!“).
Wenn gar nichts geht, weil z.B. der „Schwell“ zu groß ist, die Wellen ans Land, ist eine Zodiacausfahrt die Alternative. Das zieht dann gleich einen ganzen Rattenschwanz an Arbeit für die Mitarbeiter mit sich: Änderung der Mittagszeiten und für die Küche, auch mal Ausfall der Mittagspause für die Servicekräfte, die 10-14 Stunden am Tag ackern, Zodiacfahrer und alles, was zur Organisation dazu gehört muss nun raus oder rein, und sogar die Reinigungskräfte, die zweimal am Tag die Kabine richten, ändern ihre Routine, um die Reinigungszeit möglichst so zu legen, wenn der Gast gerade im Zodiac sitzt oder an Land ist.
Ihr seht, es ist irre viel zu tun zwischen allen hier Arbeitenden und das soll dann auch stets mit einem Lächeln passieren. Ich bin ein klitzekleinwenig beeindruckt, mit wie viel Geduld die Crew hier uns tappsige Touristen erträgt, die wir manchmal einfach keine Ahnung haben.
Im Wedell Meer an der Meereisgrenze
Nach den Südorkneyinseln fahren wir zu den Südshetlandinseln, wo leider auch die Zodiacausfahrt zu Elephant Island nicht klappt – zu dem Landeplatz, an dem 22 Männer auf ihre Rettung durch Ernest Shackleton monatelang warteten… Aber diese spannende Geschichte erzähle ich ein anderes Mal.
Dafür folge dann etwas, was ich mir nicht zu träumen gewagt hätte: Tafeleisberge! So weit das Auge reicht!
Wir stoßen durch den Antarctic Sound nördlich der Antarktischen Halbinsel nach Osten tief in das Weddell Meer vor und der Kapitän findet den Weg durch die vielen Bruchstücke des großen Tafeleisberges bis… zur Meereisgrenze!
Das Wetter ist absolut fantastisch und die MS Hanseatic schiebt sich einige Meter in das Meereis hinein – sie hat ja die höchste Eisklasse, die es für Kreuzfahrtschiffe gibt. Das Allerbeste: Wir dürfen zu Fuß auf das Eis!
Es ist der 17. Dezember und für mich wird dieser Tag ewig in Erinnerung bleiben. Auf dem Hapag Lloyd Blog habe ich schon darüber berichtet.
Und ich? Gehe schwimmen, selbstverständlich.
Allerdings habe ich mir am crossen Eisrand den Hintern ein bisschen aufgeschlitzt. Gut, dass es so kalt war, da brennts weniger. Und hinterher schnell warm anziehen, brrrrrrrr.
Die restlichen Tage sind voll mit Anlandungen, Pinguinen, Eisbergen, Gletschern, wovon ich Euch hier nach und nach erzählen werde.
Die Antarktis hat mich einmal mehr ins Eis verlieben lassen und – gebe ich zu – in diese Art zu reisen. An die 5 Sterne musste ich mich gewöhnen. Es ist nicht gerade mein Ding, mich mitten in der Antarktis Dinner-fein zu machen und stundenlang zu dinieren. Aber das Auf-dem-Schiff-sein, das schöne in dem Schlaf geschunkelt werden, die Atmosphäre, eine wahnsinnig nette Crew, ein Expeditionsleiter, bei dessen trocken-humorigen Ansagen sich die gesamte Gästeschar beömmelt vor Lachen, das An- und Ausziehen von Gummistiefeln, das Zodiacfahren, das Cruisen zwischen dem Eis… all das werde ich wahnsinnig vermissen und ich werde aufpassen müssen, nicht allzu sehr in Kitsch zu verfallen, wenn ich davon erzähle.
Ich hoffe, Ihr werdet es mir nachsehen.
Seit 15 Jahren ist Inka Redakteurin, Reisebloggerin und Autorin in Berlin und Brandenburg. Sie hat mehrere Reiseführer über die Region geschrieben und veröffentlicht ihre Tipps und Geschichten im Spiegel, Tagesspiegel und verschiedenen Magazinen. Außerdem Möchtegernentdeckerin, Liebhaberin der polaren Gebiete unserer Erde und abschweifend in der Welt. Hier Chefin vom Dienst.