Wir fahren nach Israel. Das sagt sich so leicht, und man könnten meinen, selbstverständlich kann man da hinfahren, schließlich leben dort ja auch Menschen. Wir haben uns vorher – jeder für sich – einmal Gedanken darüber gemacht.

Er meintSie meint
So, Israel also. Mittlerweile weiß ich eigentlich schon gar nicht mehr, wann und wie wir auf die Idee gekommen sind nach Israel zu fliegen. Lag vermutlich daran, dass wir vor einiger Zeit Besuch von einer alten Freundin von mir hatten, die, wer hätte es gedacht, aus Israel kommt und dort auch wohnt. Meine Motivation nun zum Gegenbesuch dorthin zu fliegen:
  • Mal sehen wie es da mittlerweile aussieht.
  • Wir hatten entschieden zu wenig Zeit über die „gute alte Zeit“ zu quatschen.
  • Inka fand die Idee gut.
  • Es ist (da wir privat unterkommen können) ziemlich preiswert.
  • Ich brauch‘ dringend mal Urlaub.
  • In Israel sind derzeit rund um die Uhr mindestens 25 Grad. Sogar nachts :-)

 

Außerdem war ich als (hüstl) „junger Mensch“ so ca. 4 Mal im Lande und hatte damals sogar vor dort nach der Schule ein Jahr zu wohnen – ist nix draus geworden, aber ich hab‘ trotzdem immer gerne an die Zeit zurückgedacht. Nun ist die Neugier einigermaßen groß, wie ich es dort wohl finden werde.

Hier im Bild: Ein junger Mensch.


So weit, so gut.

Allerdings … wer hier schon länger mitliest, weiß ja vielleicht, dass Inka und ich ein Händchen dafür haben, uns (unabsichtlich!) solche Länder und Regionen als Reiseziele auszusuchen, in denen es um die Stabilität nicht unbedingt zum besten bestellt ist. So ist z.B. der Griechenland-Urlaub damals fast ins Wasser gefallen, in Italien waren wir damals zur Zeit der Hochphase der Eurokrise, in Schweden fanden dieses Frühjahr Krawalle statt, und kaum, dass wie unsere Tickets gebucht hatten, eskalierte die Situation in Syrien so richtig. Und zwar so sehr, dass wir unseren eigentlich fest geplanten Besuch in Petra/Jordanien abgesagt haben – wir hatten einfach keine Lust gegebenenfalls auf dem Rückweg auf der „falschen“ Seite einer geschlossenen Grenze zu stehen. Nicht zu vergessen, auf dem Hinweg haben wir einen Tagesbesuch in Istanbul eingeplant. (Ja, genau. Istanbul. Gezi Park.)

Mir ist natürlich klar, dass das ein Luxusproblem ist – verglichen mit den Menschen, die in solch schwierigen Zeiten dort wohnen und leben müssen haben wir natürlich *gar kein* Problem. Ein paar hundert Euro in den Wind geschossen vielleicht, aber natürlich nichts wirklich Gravierendes. Beim Thema Israel ging’s mir aber zum ersten Mal so, dass ich mir überlegt habe, wie ich denn gegebenenfalls den Urlaub bei unseren Freunden hätte absagen sollen: „Tut mir leid, bei euch Urlaub zu machen ist mir zu gefährlich. Aber ich drück‘ euch ganz fest die Daumen das alles gut geht! Viel Glück!“

Im übrigen bemerke ich, dass ich alt, bequem und feige werde. Vor 25 Jahren bin ich mit dem Fahrrad einmal von oben im Norden nach ganz unten in den Süden gefahren. 200 km durch die Wüste, und auch quer durch die Westbank. Und heute mache ich mir Gedanken darüber, ob die Versicherung für den Mietwagen denn auch wirklich Glas- und Reifenschäden abdeckt. OMG.

Es ist noch über einen Monat, bis ich mit dem Mann nach Israel fahre. Ich bin wegen dieser Reise aufgeregter als sonst und freue mich unheimlich. Israel, Mann! Geschichtsträchtig, spannend, schwierig, tragisch, wunderschön.23. August. Die USA sprechen vom „Syrien-Einsatz“.
Das war ja irgendwie klar, dass wieder irgendein Mist dazwischenkommt. Egomanisch, so zu denken, ich weiß. Ich möchte eine klare Entscheidung, wann es zu gefährlich wird und wir Israel absagen. Ich selbst habe für mich wenig Skrupel, aber der Mann hat 4 Kinder, da sieht man die Dinge etwas anders. Ich fange an zu lesen. Über benötigte Visa lese ich beim Auswärtigen Amt: Minderjährige werden geschont, wer 1945 keine 18 Jahre alt war, braucht keines für Israel. Wer früher geboren ist, benötigt eines. Wen wunderts.Jedes Mal, wenn ich „Israel“ höre, wünsche ich mir eine Sendung mit der Maus her, über den Israelisch-Palästinensischen Konflikt, Juden und Christen und Palästinenser und den Islam, über Judäa und Galiläa, die Fatah und die Hamas, den Gazastreifen und wie das eigentlich alles ist. Es ist so wahnsinnig kompliziert.
Dabei soll dieses Land so wunderschön sein, erzählt mir der Mann, erzählten mir viele Israelis, die ich auf Reisen traf, erzählen die Fotos im Internet. Ich freue mich und bin ein bisschen zerrissen, wegen der derzeitigen Lage, wegen meiner Blödheit, was Israel angeht, und natürlich sowieso. Deutsch-Sein.

Im Mai brachte Syrien angeblich Raketen gegen Israel in Stellung, Ziel: Tel Aviv. Die Echtheit der Meldung wird von israelischen Experten angezweifelt. Andere prognostizieren einen Israel-Syrien-Krieg, sollte Syrien auseinanderfallen und Israel verhindern wollen, dass die Waffenarsenale geplündert werden. Angenommen, die USA greifen an… was passiert dann?
Ich mache den beknackten Versuch, mich über Raketenabwehrsysteme in Israel und Waffentypen in Syrien zu informieren. Raketenabwehrsysteme. Für mich war dieses Argument nie eines, die Menschen leben dort auch, tagtäglich. Auf meiner Südamerikareise habe ich mich mit vielen Israelis unterhalten. Für sie ist Gefahr Gewohnheit. Eigentlich weiß ich schon, dass ich fahren möchte.

Anfang September. Russland wiegelt ab. Es habe kein militärisches Verteidigungsbündnis mit Syrien. Die Russen haben also scheinbar nicht vor, sich wegen eines Nahoststaates weiter in der Welt unbeliebt zu machen. Im Juli soll laut der Times ein erneuter israelischer Angriff auf Syrien stattgefunden haben. Ob es um die Demonstration der israelischen Verteidigungskraft ging oder um Waffen, die nicht in den Besitz der Hisbollah geraten sollten, ist unklar, genau wie der Angriff selbst.
Was eine Falschmeldung ist, wo und bei welcher „geleakten“ Meldung nur Gesicht gezeigt oder Gesicht bewahrt werden soll und wo ernsthafte Gefechte stattfinden, ist schwer einzuschätzen. Ich verdamme mich einmal mehr, die internationale Blogosphäre nicht genügend zu kennen, um hier die interessanten Einschätzungen von „Insidern“ lesen zu können.
Der Mann und ich entscheiden uns: Wir fahren, sogar, wenn die USA Syrien angreifen sollten. Lediglich bei einer Reisewarnung nach Israel vom Auswärtigen Amt fahren wir nicht, und das dürfte erst der Fall sein, wenn Israel selbst einen Krieg anzettelt, wonach es derzeit nicht aussieht.
Ich kaufe mir endlich einen Israel-Reiseführer. So wahnsinnig viel zu entdecken, zu sehen, unsere Zeit wird niemals reichen, mir ein Bild von Israel zu machen, aber sie wird hoffentlich reichen, unglaubliche Eindrücke mitzunehmen. Der Stadtplan Jerusalems bringt mich völlig durcheinander: Das Jaffa-Tor, der Tempelberg, an der Klagemauer werden Frauen angespuckt? Wo ist das Mandelbaumtor?

Mitte September. Zwei israelische Soldaten wurden in Palästina ermordet. Ein entfernter Bekannter postet daraufhin islamfeindliche Hassparolen auf Facebook.

Ende September. Die USA und Russland einigen sich auf eine Resolution zur Vernichtung Syriens Chemiewaffen. Ich habe keine Ahnung von Syrien, und ich habe immer noch keine Ahnung von Israel. Aber das wird sich ja hoffentlich bald ein kleines bisschen ändern. Morgen geht es nach Irael, und ich bin aufgeregt. Voller Vorfreude.