Grönland ist riesig. So riesig, dass man es sich kaum vorstellen kann, kleiner aber wiederum, als es viele Landkarten anzeigen, denn durch die übliche Mercator-Projektion heutiger Weltkarten sind ja häufig verzerrt. Das „Kalaallit Nunaat“, das „Land der Grönländer“ hat nicht einmal 60.000 Einwohner. Grönland gehört geografisch zum arktischen Nordamerika und politisch zu Dänemark, ist aber autonom und das seit 2009 in relativ weiten Teilen politisch und gesellschaftlich gesehen.
Die Arktis von oben: Anflug auf Grönland
Als ich im Jahr 2009 im kleinen Flieger von Kopenhagen nach Kangerlussuaq sitze, von wo ich meine Grönland Reise im Westen des Landes starten will, und irgendwann einmal wieder aus dem Fenster schaue, klappt mir fast der Unterkiefer herunter, so fantastisch ist der Anblick. Ich frage die Stewardess, ob das Island sei (ich bin bei Tag noch nie über die Arktis geflogen). Bevor die aber antworten kann, lächelt mich eine junge, sehr hübsche Grönländerin zwei Sitze weiter an und sagt:
„Nein, das ist schon Grönland. Es ist wunderschön, nicht wahr?“
Sie kommt gerade aus Dänemark, wo sie studiert. Neben ihr sitzt ihre Mutter mit einem Urinbeutel im Schoß. Ihre Mutter sei krank gewesen und hätte in Kopenhagen behandelt werden müssen. Jetzt bringe sie sie wieder nach Hause.
„Ich war seit zwei Jahren nicht mehr zu Hause“, erzählt die freundliche und perfektes Englisch sprechende Grönländerin, deren Namen ich leider weder aussprechen kann noch weiß, wie er geschrieben wird.
„Weil wir auch in Grönland nur mit dem Flugzeug reisen können, ist ein Besuch zu Hause sehr teuer.“ Ihre Familie lebt im Nordwesten und gehört entweder zu den wohlhabenden Grönländern oder sie hatte das Glück eines dänischen Stipendiums, was häufig vergeben wird, um die schlechten Bildungschancen junger Grönländer zu verbessern.
Tatsächlich gibt es so gut wie keine Straßen auf Grönland. Die einzig nennenswerte Straße, die von Kangerlussuag die noch recht wenigen Touristen in Bussen zum Inlandeis bringt, ist eine ehemalige Teststrecke und wurde von VW gebaut. Normales Verkehrsmittel ist hier das Boot im Sommer und der Hundeschlitten im Winter. Oder eben, für die wenigen Reichen auf Grönland, das Flugzeug.
Ich erkälte mich bereits auf dem Hinflug und verbringe die Woche meiner Grönland Reise um die Diskoinsel im Dunst meines dicken Kopfes und der mich überfordernden Eindrücke. Ich habe eine Grönland Kreuzfahrt besucht – zu jener Zeit eine der wenigen Möglichkeiten, dieses Land in kürzerer Zeit zu bereisen. Grönland ist nichts für individuelle Schnellreisende: Alles muss einzeln organisiert werden, meist im flexiblen Freiflug und mit eben solchen Zeiten, denn auf individuelle Touristen ist hier niemand eingestellt.
Obwohl Grönland ruhig und das Programm auf der MS Fram von Hurtigruten angenehm vom Timing ist, muss ich die mir so neue Natur und den mir fremden Kulturkreis verarbeiten – die Arktis ist anders.
Vom Sommer in Grönland und dem Hundeäquator
Es ist Anfang Juni und frisch, aber nicht wirklich so kalt wie erwartet, in der Sonne ist fast T-Shirt-Wetter. In den Buchten schwimmen noch kleine Eisberge herum.
Grönlandhunde bellen überall an ihren Leinen – sie müssen erst im Winter wieder arbeiten. Trotz der langen Pause ohne große Bewegung sind ihre Muskeln unglaublich und sofort einsatzbereit – die Eigenschaft, die sie so besonders und wertvoll macht. Deshalb herrscht hier auch der „Hundeäquator„: nördlich des Polarkreises dürfen keine fremden Hunderassen eingeführt werden, damit die reine Rasse der Grönlandhunde erhalten bleibt. Grönlandhunde sind übrigens keine Huskies. Man kann sie großzügig dazu zählen, aber Grönlandhunde sind eine ganz bestimmte Rasse, die sich durch langes Durchhaltevermögen auszeichnet. Andere Husky-Arten sind zum Beispiel schneller aber auch früher erschöpft.
Uummannaq
Das hübsche Dorf Uummannaq ist bestimmt voller Geschichten, auf einer Kreuzfahrt bleibt jedoch leider nicht die Zeit, diese zu finden. Spätestens hier ist mir klar, dass meine nächste Reise nach Grönland mehr mit „per pedes“ zu tun haben muss. Mit Einheimischen in Kontakt kommen, sehen, wie sie leben. Eine Weile zwischen diesen bunten Fischerhäusern sein.
Durchbrochene Traditionen
Wir besuchen einen Friedhof. Der Guide erzählt uns, dass der ursprüngliche Bestattungsritus, die Toten wegen des Permafrostbodens überirdisch zu bestatten, von den christlichen dänischen Besatzern verboten und nur noch Erdbestattungen zugelassen wurden. Noch heute kämpfen Grönländer dafür, die alte Tradition wieder einzuführen, denn im alten Glauben muss der Körper Mutter Natur übergeben werden, was – nunja – mit einem Körper im Permafrostboden nicht gut funktioniert: Dieser wird konserviert. Eine ziemlich unschöne Vorstellung, die mich fortan begleitet, wann immer ich einen Friedhof mit Erdbestattungen in Permafrostböden der Arktis oder Antarktis sehe.
Die Landschaft Grönlands und das Eis
Die Landschaft ist im Westen Grönlands im Sommer mit viel weniger Eis und Schnee überzogen, als ich es mir vorgestellt habe, es grünt sogar ein wenig – immerhin heißt dieses Land ja auch „Grünland“ (zur seltsamen Namensgebung habe ich in diesem Artikel etwas geschrieben).
Dennoch ist der größte Teil Grönlands, 1,8 Millionen km² vom Inlandeis bedeckt – die zweitgrößte zusammenhängende Eismasse der Welt nach der Antarktis. Die restliche Landschaft ist baumlos und mit vielen Moosen und Flechten durchzogen, auch viele (kleine) Blumenarten gibt es hier.
Der Westen ist vielerorts landschaftlich unspektakulärer als der Osten mit seinen höheren Bergen und dramatischeren Fjorde. Es gibt allerdings eine Ausnahme: Das UNESCO Weltnaturerbe Ilulissat Eisfjord, an dem man die Dimensionen des Inlandeises erahnen kann.
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Für Eisliebhaber: Tipp: Wer weitere Touren der Fram verfolgen und viele Bilder sehen und Geschichten lesen möchte, dem sei der Framblog empfohlen. |