Ich bin wie gelähmt zur Zeit. Darf man das sagen? Ihr wisst, was ich meine. Mein Kopf mäandert irgendwo zwischen Schmerz und Fassungslosigkeit, Wut und Trauer. Die Sorge um Morgen wird größer. Und ganz nüchtern betrachtet auch die Überlegung, was ich heute tun muss, um in der veränderten Welt morgen resilient zu bleiben. Mein Überlebensmodus kickt derzeit.
Wie sich die Klimakrise anfühlt
Ich bin unendlich dankbar für diesen Sommer in Berlin, leicht verregnet und manchmal sogar etwas kühl, wobei das eher gefühlte Wahrheit ist als den Tatsachen entsprechend. Davon abgesehen, dass ich ohnehin leicht mit der Gesundheit struggle, kann ich hohe Temperaturen nicht besonders gut ab, und während die Welt um uns herum buchstäblich verbrennt, gießt in den letzten Tagen sogar der Regen unseren Garten ohne mein Zutun – etwas, das zwischen April und Oktober seit 2018 nicht mehr vorgekommen ist.
Es sind die Warnungen vieler Experten, denen ich seit Jahren vertraue und folge, die mich in Wellen überrollen, von denen ich vielleicht gedacht habe, dass sie etwas später kommen. Ich habe auf einmal das Gefühl, keine Zeit mehr verlieren zu dürfen in der psychischen Vorbereitung auf das, was da kommen mag.

Das Schlimmste: Wir sprechen alle nicht darüber. Im Freundeskreis, in der Familie – es gibt keine Worte, keine Überlegungen, was jetzt zu tun ist. Doch alleine komme ich nicht weiter. Selten ist ein Mensch alleine weiter gekommen. Von Katrin, die gerade in Island unterwegs ist, habe ich gehört, dass jemand vor langer Zeit ausgesetzt, alleine, im isländischen Hochland 20 Jahre lang geschafft hat zu überleben, in einer kalten, relativ menschenfeindlichen Umgebung. Das beruhigt überhaupt nicht, weil die menschenfeindliche Umgebung Islands vermutlich ein Zuckerschlecken gegen das ist, was uns erwarten mag. Denn bei dem, was da auf uns zurollt, können wir uns auf nichts mehr verlassen. Es wird nicht einfach heißer, sondern unbeständiger. Das reicht von unglaublichen Hagelstürmen, wie gerade am Gardasee geschehen, über monatelange Dürre, Feuersbrünste, Überflutungen, und ja, eventuell auch richtig viel Kälte.

Es wird keine Beständigkeit mehr geben – das ist eine der perfidesten Bedrohungen des Klimawandels.

Und es passiert offenbar viel schneller als erwartet.

Ich checke insgeheim, wo sich in der Nähe noch zuverlässige öffentliche Wasserversorgung befindet (Spoiler: die Pumpen funktionieren fast alle nicht mehr), wie gesichert unser Haus gegen Überflutung ist, wie wir unsere Photovoltaikanlage im Notfall auf autark umstellen können und ob es sinnvoll wäre, sich neben der Feuerstelle noch einen Outdoor-Ofen anzuschaffen. Ich werde auf einmal zur Prepperin und weiß nicht, was ich gruseliger finde: Den Fakt, zur Prepperin zu werden oder es nicht zu werden. Und ich bin mir sehr schmerzhaft bewusst, wie unglaublich privilegiert das ist, mir über sowas Gedanken machen zu können, und wie schnell dieses Privileg aber auch vorbei sein kann.

Doch am dringendsten möchte ich mit den Kindern sprechen. Nur: Wie spricht man mit Jüngeren über die Katastrophen, von denen ich denke, dass diese auf sie zurollen, ohne sie im Hier und Jetzt psychisch komplett runterzuziehen? Ich möchte mit ihnen ihre resiliente Zukunft vorbereiten, überlegen, welche Skills vielleicht notwendig werden. Doch schon macht sich die Machtlosigkeit breit. Was können wir schon tun?
Ich glaube daran, dass wir dringend Netzwerke bilden sollten. Notfallkontakte, Wissensaustausch, wer kann was und vor allem: Bei wem fühle ich mich sicher. Ich fürchte, wir sollten Skills zur Resilienz und des „Was machen wir jetzt?“ in der Schule lehren und uns Zuhause darüber austauschen, völlig egal, wie viele es immer noch nicht verstanden haben, dass die Welt sich gerade furchtbar schnell und angsteinflößend ändert. Wer es jetzt nicht verstanden hat, möchte es auch in Zukunft nicht verstehen. Und vielleicht bilden diese Netzwerke dann genau die Masse, die wir dringend brauchen, um politisch wirklich etwas zu verändern, um noch das zu retten, was derzeit zu retten möglich ist.

Immer weniger kann ich die Ambiguität aushalten, das skurrile Auseinanderdriften zwischen meiner alltäglichen banalen Arbeit, dem Schreiben eines Larifari-Reiseberichtes, dem Google-optimieren eines Artikels, und dem, was gerade in der Welt passiert. Im Kleinen das Gute betrachten, sich am Positiven festhalten war mein Motto seit einiger Zeit. Das ist es auch immer noch, natürlich, denn welche andere Wahl haben wir. Aber dennoch: Es muss sich etwas ändern. Wir müssen mehr über das sprechen, was gerade passiert, und wie wir uns dazu verhalten.

Lasst uns wieder Banden bilden. Es ist an der Zeit.

Quellen:

Tipp am Rande, was für mich ganz gut funktioniert: Bewusst Nachrichten konsumieren und dann wieder bewusst einschränken. Push-Nachrichten überall ausstellen und sich täglich eine festgelegte Zeit informieren. Anschließend darf’s dann wieder der Kitschroman oder wasweißich sein.
Über AI habe ich hier gar nicht gesprochen, absichtlich. One step at a time. Das gilt auch für den Konsum von Horrornachrichten.