Eingeladen von der „Regione Piemonte“ durfte ich mich ja neulich durch Piemontes Schlemmerland durchfressen und trinken und wandern und vom Heidi-Schrei habe ich ja bereits berichtet. Was ich Euch bisher verschwiegen habe: Ich hatte einen geheimen Auftrag, und das kam so.
Das Ausgangsproblem: Die Piemontische Kirsche
Als mir die Einladung ins Haus flatterte dachte ich „Toll, Kirschen!“ und freute mich schon auf Klein-Inka-Spiele mit Kirschen-übers-Ohr-hängen an Orten, wo mich niemand je wiedererkennen würde. Ein bisschen Wandern sollte auch drin sein – wunderbar.
Allerdings irritierte mich das überflüssige „e“ am Piemonte, was doch der Kirsche gar nicht ähnlich sah. Piemonte, so beschläute ich mich, kommt vom Ausdruck „al pie dei monti“, also „am Fuße der Berge“, und die Einzahl von „Berg“ lautet im Italienischen eben nicht „mont“ sondern „monte“. Hat Mon Cheri da eventuell einen Fehler gemacht? Handelt es sich um einen Übersetzungsfehler, oder hat jemand bei Ferrero gar einen Sprachfehler und durch Verkettung unglücklicher Umstände fiel das „e“ auf viertelvorzwölfter Wegstrecke bis zum – äh – Aldi weg?
Und wieso eigentlich Berge? Sind da nicht überall Seen und Kirschbäume?
Domodossola, Ausgangspunkt für Wanderungen im Piemont (und die Suche nach den Kirschen)
Nein, tatsächlich führte mich die Reise in die Ausläufer der Alpen, na klar, das Piemont liegt nämlich dort, wo früher am Liebsten die Schweizer Urlaub gemacht haben, weil sie mal eben rüberlaufen konnten, naja, wenn sie ein wenig Zeit mitbrachten. Aber die laufen ja eh so gern, die Schweizer.
Möchte man auf der Karte gucken, sucht man am Besten nach „Domodossola„, einer der größten Städte im Ossolatal, auf der Strecke zwischen dem Simplonpass, auf dem in den 60ern immer die VW-Bullis rumgedüst sind zum Lago Maggiore, achja, genau das war der See, an den ich dachte. Der grenzt jedoch nur ans Piemont und liegt eigentlich weiter im Süden.
Fein, dachte ich, das ist ja super, denn die Schweiz kann ich arme Berlinerin mir nicht leisten, die Alpen finde ich wunderschön, wandern ist klasse, kann ich also bisschen laufen mit meinen kirschbehängten Ohren und so tun, als sei ich in der Schweiz. Aber psst, lass das bloß nicht die Italiener…
Vor Ort betete ich dann wegen meiner lästerlichen Gedanken sicherheitshalber mit den Nonnen ein bisschen mit.
Und auf dem Weg auf den Heiligen Berg Calvario, dem Kalvarienberg, auf dem 15 Kapellen den Kreuzweg nachempfinden und der das lästerliche Lutherische Reformationsgelaber beenden sollte, war ich auch mal stiller als sonst – für alle Fälle.
Schön isses da, vor allem gefiel mir, dass trotz Hochreisezeit irgendwie kaum ein Tourist hierhergefunden hat, bis auf uns natürlich. Fein, dachte ich, das verblogge ich gleich mal als GEHEIMTIPP…
Wandern geht im Piemont von Dorf zu Dorf
Wir liefen noch ein bisschen durch die Gegend. Das Tolle: Hier kann man häufig von Dorf zu Dorf laufen, auf alten Maultierpfaden, die teilweise noch erhalten und teilweise erneuert wurden, um den Wandertourismus anzukurbeln. Naja, ich war ja nun schon da.
Nur die Kirschen, die wollten mir irgendwie so gar nicht über den Weg laufen, nicht einmal beim Mittagessen…
Mit vorsichtigem Nachfragen kam ich nicht weiter. Unser Guide beteuerte, dass es hier natürlich Kirschen gäbe, sie seien nur gerade „woanders“.
Ich suchte in Tappia.
Ich fragte an Haustüren.
Ich schaute in Viganella, das berühmt geworden ist, weil im Winter kein Sonnenstrahl den Ort erreicht und der Bürgermeister einen sauteuren Spiegel hoch auf dem Berg errichten ließ, der ein paar Sonnenstrahlen einfängt und sie dann auf den Ort leitet, so ganz zufällig auf das Haus seiner Tochter. Der Spiegel war mir aber zu popelig zum Fotografieren. Und Kirschen habe ich auch nicht gefunden.
Den Abend verbrachten wir dort im berauschenden Casa Vanni*.
Das war so genial, dass ich beim 8-Gänge-Menü die Kirschen glatt vergaß.
Internet gab’s nicht, Englisch auch nicht, aber die Betreiber waren zuckersüß und zeigten uns mit Händen und Füßen ihren kleinen Weinberg, den hier jeder zu besitzen scheint, und eine Weinprobe durften wir außerdem machen.
Der Wein ist wahnsinnig lecker, hat aber offensichtlich einen grandiosen Nachteil: Er macht blöd.
Als ich nämlich mitten in der Nacht aufstand, um den unglaublichen Sternenhimmel zu fotografieren, bekam ich die doofe Flurtür nicht auf. In meiner aufkeimenden Wut konnte ich dann vom Balkon aus anscheinend nicht mal die Emma vernünftig halten und machte ein paar bescheuerte Wackelsternbilder.
Der Geheimauftrag
Am nächsten Morgen entdeckte ich dann, dass mir jemand einen Zettel unter meiner Zimmertür durchgeschoben hatte, auf dem stand:
Claudia Bertani gesucht! Betrügerin!! Keine Piemont-Kirsche, nur Schwindel! Trat zwischenzeitlich als Käpt’n Iglo und Meister Propper auf! Aussehen unverändert! Belohnung!
Sollte das stimmen? War ich einem internationalem Kirschkompott aus Geheimniskrämerei auf den Zucker gegangen und suchte nach Kirschen, die gar nicht existierten? Ganz klar: Ich musste Frau Bertani finden und den Fall aufklären!
Ich schrieb mir den Namen auf meine Handinnenfläche und malte sicherheitshalber eine kurze Erinnerungszeichnung dazu:
Dann ging ich hinaus, um das Frühstück einzunehmen. Die Flurtür ließ sich mit starkem Ruck öffnen. Tja.
Der Lago di Antrona, ein riesiger Wasserfall und das Weinkeltern von früher
Wir fuhren zum Lago di Antrona und wanderten einmal um den See herum. Wow, fantastisch, dachte ich, das sieht hier total wild aus, außerdem liefen wir hinter einem riesigen Wasserfall entlang. Wir liefen dahinter!
Emma war auch begeistert und knipste los wie eine Irre, machte aber irgendwie keine so tollen Fotos, ich glaube, der Wein ist ihr auch nicht so gut bekommen.
Später erklärte man uns in einer Weinkelterei, wie früher Wein gemacht wurde.
Füher, seufzte ich, war eben alles besser, natürlich auch hier, denn früher wurde viel mehr produziert. Aber immerhin fangen jetzt viele Leute wieder mit kleinen feinen Rationen an, denn nicht nur ist die Arbeit rar, sondern sie besinnen sich, dass die alten Dörfer grandios schnuckelig zum Wohnen sind und mit ein bisschen Weinreben zeigen und auf old-school machen ja grandios Touristen anzulocken sind. Stimmt. Ich finds fantastisch. Und kulissenmäßig haben sie hier auch ganze Arbeit geleistet…
Die Region lebte ab den 60ern vom Eisen- und Kupferabbau, die Jungen zogen ins Tal und verließen die Dörfer, denn das war einfacher als der Roggen- und Kartoffelanbau an den steilen Hängen. Die Industrie dachte sich aber irgendwann, dass sie anderswo wohl doch günstiger produzieren kann, und das wars dann.
Jetzt stellen die mittlerweile zurückgekehrten Dorfbewohner sich unauffällig zu den Touristen und locken diese unter einem Vorwand in ihre geheimen Weinkeller, um sie durch Weineinflößungen frageunfähig zu machen, zum Beispiel, was es mit den verdammten Kirschen auf sich hat. So jedenfalls stelle ich mir das in etwa vor.
Der Wein war allerdings mal wieder verdammt lecker…
Und als ich gerade soweit war, es aufzugeben, und schon im Geiste meinen Post schrieb über die ganzen furchtbaren Machenschaften hier und das Geklüngel und dass ich den ganzen Schiet mit den super Wanderwegen im Piemont einfach weglasse, jawohl, da steht sie auf einmal vor mir:
Claudia Bertani persönlich!
Ich muss es Euch hier und heute leider mitteilen, diese furchbare Nachricht:
Es stimmt! Claudia Bertani hat uns belogen!
Die Piemont-Kirsche gibt es überhaupt nicht!
Und Mon Cheri schmeckt scheiße!
Aber sie ist wunderbar, die Claudia, so dass ich ihr ewiges geheimes Geleit gebe.
Und mindestens das eine an diesem Post stimmt: Im Piemont isses wunderbar!
TTT – TierischeTouriTipps
Unternehmen:
- In Tappia veranstalten die Bewohner jedes Jahr im Juli ein Fest, bei dem ein geringer Betrag für das komplette leibliche Wohl sorgt. Mit dem eingenommenen Geld restauriert die Gemeinde das Dorf, z.B. die Wege. Großartig, bewundernswert, unterstützenswert!
- Wandern: Unzählige toll ausgeschilderte Wanderwege, z.B. der „Weg der Mühlen & Weinpressen“ oder der „Weg des Roggens“. Sehr gut aufbereitete Informationen unter sentieridelverbanocusioossola.it/de (deutsch).
- Im Sommer wird, um die Gemeinden für den Tourismus zu unterstützen, das „Musica in Quota“ organisiert, ein Musikfestival, was zu verschiedenen Zeitpunkten in verschiedenen Orten stattfindet. Informationen unter http://www.piemonteitalia.eu (leider nur italienisch). Die Gastgeber vor Ort können sicher weiterhelfen.
- Beim Durchwandern nett und freundlich lächeln – man wird garantiert auf eine Weinprobe eingeladen! Das Dorf freut sich dann auch über eine kleine Spende, die in diesen Gefilden mit großer Wahrscheinlichkeit auch bei der Gemeinde ankommt.
- Das wildeste und naturbelassenste Fleckchen dieser Gegend, der Nationalpark Valle Grande, ist von mir persönlich leider noch nicht erforscht und soll nur eine weitere Anregung darstellen. Ich habe von meinen Begleitern nur Gutes gehört.
Unterkommen:
- In Viganella kann ich das Casa Vanni* uneingeschränkt empfehlen. Ok, Internet geht nicht und die Bewohner sprechen kein Englisch. Die Verständigung war aber aufgrund händisch- und füßiger Fähigkeiten kein Problem, und ich habe noch nie in einem so zuckersüßen Zimmer übernachtet mit einem grandiosen Menü moderner gemüselastiger Küche. 5 Sterne von mir!
- Unterkunft und sehr gutes Essen gibt es oberhalb des Bergdorfes Anzuno im La Tensa.
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Disclaimer: Ich wurde von der Regione Piemonte zu einer Bloggerreise eingeladen. Vielen Dank hierfür, die Region hat mich schwerwiegend verzaubert. Einen nicht unbeträchtlichen Anteil daran hatte sicher unsere immerfort wissensspendende Guidefrau Susanne, bei der ich mich hier ebenfalls nachdrücklich für den tollen Einblick in die Region bedanken möchte. Eventuelle Ähnlichkeiten mit Claudia Bertani sind rein zufälliger Natur.
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