Heute sitze ich das erste Mal länger vorm weißen Papier. Es ist der fünfte Homeofficetag, allerdings auch schon die gefühlte dritte Woche in der Ausgangsbeschränkung. Da ich schon am 6. März einen ziemlich hartnäckigen, trockenen Husten entwickelte, mit dem ich ja schlecht vor die Haustür gehen konnte (auch wenn das sehr, sehr wahrscheinlich kein Covid-19 war), ging die Krankschreibung fast nahtlos ins Homeoffice über. Lediglich einen Tag war ich noch im Büro und konnte mich somit von den Kolleg:innen verabschieden – ein sehr seltsames Gefühl.
Denn auch wenn unsere Firma das Homeoffice erst einmal für 14 Tage festgesetzt hatte, war wohl jedem klar, dass wir uns nun über längere Zeit nicht sehen werden.
Meine Firma, von der ich nicht weiß, ob sie hier genannt werden möchte, hat ohnehin ziemlich fix und unkompliziert reagiert, gleich einige bezahlt freigestellt und die Homeoffice-Plätze hochgefahren. Zack, innerhalb weniger Tage ist jetzt quasi die ganze Firma im Homeoffice, die wenigen vor Ort verteilen sich großzügig über die großen Büroräume.
Heute dann außerdem eine informierende und nette Email vom Chefchefchef. Wir haben Glück, in einer Branche zu sein, die benötigt wird, mit den Struggles kommen wir hoffentlich zurecht.
Ansonsten kämpfe ich heute ein wenig mit dem Sinnlosigkeitsverdacht dieses Tagebuches und versuche, irgendwelche superdeepen Gedanken aus mir rauszuholen. Klappt aber nicht.
Immerhin habe ich heute mal etwas mehr und sinnvoll gearbeitet, und der tägliche Spaziergang mit dem Mann war ganze 1,5 Stunden bis zur Autobahn, die dann leider gar nicht total leer war – das wäre ja mal cool gewesen.
Das Fithalten durch Spazierengehen ist übrigens eine super Idee, findet inzwischen auch die WHO. Ich weiß natürlich, dass #staythefuckhome Sinn macht, um den Leuten zu verklickern, worum es geht. Leider kapieren es dann aber einige nicht und regen sich ernsthaft auf, wenn jemand im Park spazieren geht. Das macht sogar Zeit Online.
Ich gebe jedenfalls mein Bestes, nehme inzwischen auch brav Vitamin D und Zink, was ich früher ständig vergessen habe, trinke meinen Kurkuma-Latte und esse mein Gemüse, wobei ich auf Letzteres ohnehin viel Wert lege. Ich persönlich kann gut auf Nudeln, Brot und Mehl verzichten und mich ausschließlich von Gemüse ernähren, ist aber ein bisschen doof für den Eiweißhaushalt.
Ohmy. Erst der siebte Tag und ich schreibe schon über Gesundheit und Essen.
Find’s ziemlich krass, jetzt mitzubekommen, dass offenbar viele im Homeoffice in Unterhose vor dem Computer sitzen.
Warum dieser Aufwand?
— Ralf Daheimann (@ralfheimann) March 23, 2020
Hilfsgelder, Neuverschuldung
Die Bundesregierung hat ein krass großes Hilfspaket geschnürt, mit einer Neuverschuldung von 156 Milliarden Euro. Es soll die Wirtschaft stabilisieren, Hilfe für Kleinunternehmer und Selbständige und Kinderbetreuung geben und insbesondere für Krankenhäuser Gelder bereitstellen, was natürlich eine enorm gute Idee ist.
Die Wirtschaftsprognosen sehen absolut düster für die kommenden Jahre aus, ich glaube, das schiebe ich erst einmal in seiner Komplexität weg. Ein Gedanke nach dem anderen.
Ich würde ja auch gerne mitmachen bei den vielen supertollen Aktionen, die jetzt so gestartet werden, um Kleinunternehmen und Selbständige zu finanzieren. Buchläden, Apotheken und Restaurants in der Nähe unterstützen, in Shops Gutscheine kaufen für später, gekaufte Eintrittskarten nicht zurückgeben. Nur: Ich konsumiere halt einfach ziemlich wenig, schon länger. Ok, ich kaufe Bücher, das stimmt. Aber alles andere habe ich reduziert, sonst würde ich gar nicht mit meinem Geld auskommen, was ja nun zusätzlich auch noch weniger ist als vorher.
Eine Idee fand ich super: Jetzt schon mal Weihnachtsgeschenke besorgen.
Achja, der erste Corona-Hackerthon ist vorbei, es sind extrem viele spannende Projekte zusammen gekommen und ich bin gespannt über die weiteren Berichterstattungen.
Fresse halten
Ja, wie mir gestern schon dünkte: Meine Laberei über das Modellierungspapier vom RKI hätte ich in der Tat mal lassen sollen – man sollte eben immer dem Bauchgefühl vertrauen und außerdem nicht nur die Bildchen anschauen. Ich nehme also zurück, was ich schrieb:
Die Abbildung 2 im Papier ist quasi das worst case Szenario, in dem kaum Maßnahmen zur Eindämmung ergriffen werden und gleichzeitig viele Millionen Menschen erkrankt sind, was in allen Szenarien unser Gesundheitssystem komplett überfordern würde.
Ist also das Gegenteil von beruhigend.
Bis hierher verstehe ich also so viel:
Herdenimmunität = ~65 Mio. Infizierte = entweder komplett überfordertes System ODER jahrelange Maßnahmen.
Das heißt: Wir können das nur innerhalb der nächsten 1,5 Jahre hinbekommen, wenn wir einen Impfstoff entwickeln – und dieser verdammte Virus nicht komplett mutiert, so dass alle Immunität verloren ginge. Soweit ich verstanden habe, ist Letzteres aber eher unwahrscheinlich.
Dennoch: Es ist ein Spiel mit der Hoffnung, die auf ein Pferd setzt, das mir gerade noch ziemlich klein vorkommt.