Heute geht es ums Gleitschirmfliegen. Wie lernt man sowas, wie teuer ist Gleitschirmfliegen überhaupt, und kann das jeder?
Ich verrate Euch gleich: Nein, jede kann das nicht, ich zum Beispiel, denn meine Höhenangst ist dann doch etwas zu ausgeprägt, um mich voller Genuss vom Berg zu schmeißen. Der Mann hat es aber getan, und weil er nun erfolgreich die Gleitschirm-Pilotenlizenz bestanden und völlig Feuer & Flamme für dieses Hobby ist, gibt es heute einen Gastpost vom Mann:
Gleitschirmfliegen lernen
Yes, I did it!
Zwei Jahre, zehntausende Schritte, vier Sonnenbrände und leider auch einige Euro später habe ich gerade meine A-Lizenz als Luftsportgeräteführer der Sparte Gleitschirm erworben.
Mit anderen Worten: Ich habe den Schritt vom Fußgänger zum Piloten gemacht!
Wie ich dahin gekommen bin, was ich dabei gelernt habe, und warum das eigentlich jeder machen sollte, das erfahrt Ihr im folgenden Artikel.
Warum ich Gleitschirmflieger werden wollte
Google ist ja schon ein bisschen unheimlich. Ich habe gerade überlegt wann genau ich mich eigentlich zum ersten Mal mit dem Thema „Gleitschirmfliegen“ auseinander gesetzt habe, und tatsächlich hat mein externes Gedächtnis („myactivity.google.com“) die Frage ziemlich genau beantworten können:
Sich in die Luft erheben, über den Dingen zu schweben, sich ganz auf sich selber verlassen zu können und zu müssen, sich selber neue Perspektiven eröffnen, vielleicht auch die Herausforderung den inneren Schweinehund (oder den inneren Angsthasen) zu überwinden – lauter gute Gründe aktiv selber fliegen zu lernen. Außerdem ist der „Traum vom Fliegen“ ja schon geradezu sprichwörtlich, auch wenn er in der Top-Ten der am häufigsten geträumten Träume „nur“ auf Platz 6 liegt – hinter vermutlich eher unbeliebten Klassikern wie „Ausfallenden Zähnen“ oder „Nackt in der Öffentlichkeit“, aber immer noch populärer als „Im Auto sitzen und nicht bremsen können“
Jedenfalls habe ich zu dieser Zeit angefangen unzählige Youtube-Videos zum Thema „Gleitschirm“ zu schauen und mir war sehr schnell klar: Das, ganz genau DAS ist es was ich machen will! Das Video, welches mich dann schließlich überzeugt hat verlinke ich lieber irgendwo unten – wenn ich das hier oben im Text tue lest ihr vermutlich nicht mehr weiter, und wozu mache ich mir schließlich die ganze Mühe hier?
Wo lernt man Fliegen?
Man kann sich nicht einfach im Internet einen Gleitschirm samt Ausrüstung bestellen, auf einen Hügel stellen und losfliegen. Also, man kann schon, aber das wäre a) saugefährlich und b) verboten und c) eine wirklich dämliche Idee.
Von mir aus kann man (eigene Ländereien vorausgesetzt) ja versuchen, sich selber Autofahren beizubringen. Autos haben gegenüber Luftfahrzeugen aber ja auch den großen Vorteil, dass man sie jederzeit wieder anhalten und aussteigen kann (Ausnahmen: siehe oben unter „Träume“). Bei Flugzeugen (und Gleitschirme sind in gewisser Weise „Flugzeuge“) ist das ein bisschen was anderes, da kann man schlecht mal eben rechts ranfahren und aussteigen.
Außerdem sind wir hier in Deutschland, da ist alles schön geregelt mit Ausbildungsordnung und Lizenzen und Ausweisen und Versicherungspflicht – deshalb muss man sich, bevor man in die Luft geht, eine Schule suchen und das Ganze vernünftig lernen, und anschließend auch im Rahmen einer Prüfung nachweisen, dass man was gelernt hat. Und nachdem ich das Ganze jetzt hinter mir habe muss ich zugeben: Das ist auch gut so.
Lernen geht also nur an einer Schule, und die muss dann auch noch entweder in Österreich oder in Deutschland sein.
Was lernt man während der Gleitschirmausbildung?
Ich erspare mir jetzt mal das Aufzählen der vielen einzelnen Übungen die man im Laufe der Ausbildung macht – ich würde sagen, man erlernt einfach das Grundhandwerkszeug, das man braucht, um an einem Tag mit guten Bedingungen sicher zu starten, zu fliegen, und wieder zu landen. Keine beeindruckenden Akrobatik-Kunststücke, keine spezielle Thermik- oder Streckenflugmanöver. Aber keine Sorge, langweilig ist das Ganze deshalb natürlich trotzdem nicht.
Ohne jetzt allzu technisch werden zu wollen: Um selber fliegen zu dürfen braucht man in Deutschland (mindestens) eine „A-Lizenz“. Die erwirbt man, in dem man einen Grundkurs und einen Höhenflugkurs absolviert, Theorieübungen macht und am Schluss dann sowohl eine theoretische wie auch eine praktische Prüfung ablegt.
Der theoretische Teil ist nicht zu unterschätzen und beinhaltet unter anderem auch 25 Theoriestunden die man entweder abends nach den praktischen Übungen, oder halt als Alternativprogramm bei fluguntauglichem Wetter macht. Auf die theoretische Prüfung sollte man sich schon vorbereiten, aber das kann man auch ganz prima zuhause und online erledigen.
Wie läuft die Ausbildung ab?
Die Flugschulen bieten unterschiedliche Formen der Ausbildung an: Viele bieten den Grundkurs als meist fünftägigen Blockunterricht an, es gibt aber auch Schulen, an denen man tageweise so oft zu den Grundkursen geht, bis man eben all das gelernt hat, was man gelernt haben muss. Oft gibt es auch noch „Schnupperkurse“, die nur einen oder zwei Tage dauern, dafür aber auch vergleichsweise preiswert (ab 80 Euro) zu haben sind. Richtiges Fliegen lernt man so schnell natürlich noch nicht, aber mit ein bisschen Glück reicht es an Tag Zwei vielleicht für den ersten kleinen Hüpfer.
Wer sich noch gar nicht vorstellen kann, ob Fliegen denn nun das Richtige ist, kann übrigens natürlich auch mal einen Tandemflug machen – bei dem man dann allerdings natürlich „nur“ Passagier ist.
Ich habe mich damals für einen einwöchigen „Blockkurs“ im Allgäu entschieden – ehrlich gesagt kannte ich die andere Variante damals noch nicht und bin auch gar nicht auf die Idee gekommen, dass man Gleitschirmfliegen auch im platten Brandenburg hätte lernen können – aber dazu später mehr. Nachteil daran: Man muss Urlaub nehmen, und hat vermutlich auch eine weitere Anreise in Kauf zu nehmen, außerdem kommen auch noch zusätzliche Kosten für die Unterkunft dazu. Größter Nachteil: Man kann auch viel, viel Pech mit dem Wetter haben. Wenn es in der einen gebuchten Woche an vier von fünf Tagen regnet, dann war es das wohl mit dem Praxisteil des Grundkurses, und man bucht gleich nochmal. Bei der lokalen und tageweisen Durchführung wartet man halt einfach das schlechte Wetter ab und kommt übermorgen wieder.
Ich persönlich würde trotzdem die Blockvariante wählen. Was man nämlich umsonst dazubekommt, ist das tolle Gruppenerlebnis, sich mit den anderen Kursteilnehmern zusammen etwas „erarbeitet“ zu haben. Und ich habe in all meinen Kursen bisher noch nicht eine Gruppe erlebt, in der man nicht zusammen gelacht, sich gemeinsam gefreut und auch das eine oder andere Landebier miteinander geteilt hat. In der Luft ist man alleine, aber am Landeplatz steht man mit wildfremden Menschen zusammen und freut sich gemeinsam an dem was man da macht. „Fünf Minuten geflogen, und danach bei fünf Bier fünf Stunden lang darüber diskutiert“.
Bei unserer Flugschule wurde der Grundkurs dann am letzten Tag noch durch den ersten richtigen Flug vom Buchenberg gekrönt. 350 Meter Höhendifferenz klingt jetzt nicht nach sooo viel – aber wenn man oben am Startplatz steht sieht das gleich ganz anders aus.
Spätestens nach diesem Flug weiß man dann, ob Gleitschirmfliegen das richtige Hobby ist. Natürlich kann man es nach dem Grundkurs dann auch gut sein lassen – und erstaunlicherweise gibt es auch gar nicht mal so wenige die genau das tun. Verlorene Zeit ist es trotzdem nicht – auch der Grundkurs nur für sich betrachtet macht schon richtig viel Spaß!
Anschließend muss man dann noch eine bestimmte Anzahl von Höhenflügen machen – ich lass‘ hier mal die Details weg, aber soviel sei gesagt, bei den 350 Metern Höhendifferenz bleibt es nicht, irgendwann kommt der Moment und der Berg ist viel, viel höher, und die Aussicht noch gewaltiger.
Wie lange dauert die Ausbildung?
Nach dem ca. einwöchigen Grundkurs folgt der Höhenflugkurs.
Theoretisch lässt sich das innerhalb von zwei Wochen durchziehen, aber dazu braucht man dann schon ein bisschen Glück mit dem Wetter und der Auslastung des Kurses an dem man teilnimmt – jeder Teilnehmer wird ja einzeln sowohl beim Start, als auch in der Luft und bei der Landung per Funk „abgefertigt“, und gerade auch als Anfänger braucht man natürlich ein bisschen länger Zeit.
Dazu kommt noch, dass man zu Beginn auch auf optimale Startvoraussetzungen angewiesen ist und auf den passenden Wind (nicht zu stark, nicht zu schwach, und bitte vor allem auch aus der richtigen Richtung) warten muss. Hat man dann 15 Teilnehmer im selben Kurs, dann vergeht zwischen zwei Flügen gerne auch schon mal ein Stündchen. Vorteil: Man lernt Geduld zu haben, und die zweite Sportart „Parawaiting“ gibt es gleich noch kostenlos dazu. Kurz und gut, ich würde gedanklich lieber gleich mal drei Wochen Höhenflugkurs einkalkulieren.
Welche Personen nehmen an der Ausbildung teil?
Bei mir waren es insgesamt ja vier Wochen, die ich an der Flugschule verbracht habe. In wirklich allen Gruppen waren Leute dabei mit denen ich mich prima verstanden habe – man ist ja gemeinsam in einer besonderen Situation, lernt auch viel voneinander und hilft sich gegenseitig. Und man hat gemeinsam das großartige Erlebnis durch die Luft zu segeln – das schweißt zusammen!
Meine Kurse waren immer halbwegs ähnlich zusammengesetzt: Ein paar junge Menschen (ab 14 Jahren darf man übrigens anfangen mit der Ausbildung), ein paar Endzwanziger, und immer auch ein paar um-die-oder-über-50er (mich zum Beispiel). Und nach oben gibt es (solange man fit ist) auch keine Grenze, wir hatten durchaus auch ein paar Rentner mit in unseren Kursen. Das mit der Fitness sollte man allerdings nicht unterschätzen – klar, während des eigentlichen Fliegens kann man auch einfach faul auf seinem „Luftsofa“ sitzen und muss sich nicht großartig anstrengen. Für Landung und Start bedarf es aber natürlich einer gewissen Beweglichkeit, ein wenig Rennen ist schon immer auch dabei. Und speziell für den Grundkurs braucht man dann auch Ausdauer – da gibt es dann nämlich keinen Lift der einen immer wieder den Übungshügel hinaufbringt, da heißt es dann sich und den Schirm samt Gurtzeug immer wieder den Hügel raufschleppen – und das kann ganz-schön-anstrengend sein. Da kann dann übrigens eine Ausbildung an einer Winde statt am Berg eine interessante Alternative sein, da muss man nämlich im allgemeinen nicht so weit vom Lande- zum Startplatz laufen.
Übrigens, der Frauenanteil liegt eigener Erfahrung nach zumindest bei den Kursen bei ca. 20-25%.
Was kostet eine Gleitschirmausbildung?
Ok, um ehrlich zu sein: Billig ist der Spaß nicht wirklich. Sicherlich ist Gleitschirmfliegen die preiswerteste Methode zu fliegen (abgesehen vielleicht von Ryanair…), aber für eine volle, unbeschränkte Lizenz und die komplette eigene Ausrüstung muss eine alte Frau schon wirklich sehr, sehr lange stricken.
Ich schreibe mal auf was so zusammenkommt, alles so grobe circa-Preise.
Grundkurs | (einmal) | 400 € | |
Höhenflugkurs | 1. Woche | 500 € | |
Höhenflugkurs | 2. Woche | 500 € | |
Höhenflugkurs | 3. Woche | 250 € | manche Schulen bieten einen Rabatt wenn man verlängern muss |
Prüfungen | Theorie inkl. Lehrmaterial | 90 € | |
Praxis | 120 € | ||
Scheinerteilung | 45 € | ||
Unterbringung | bei mir 4*350 Euro | 1400 € | in einer Ferienwohnung, nach oben hin natürlich beliebig teuer |
sonstige Kosten | Bergbahn | ~250 € | hängt natürlich von der Bergbahn ab |
Landekarten, Parkplatz | ~50 € | ||
Ausrüstung | Helm, feste Wanderschuhe | 150 € | grob geschätzt, kann man auch bei eBay kaufen |
Fahrtkosten | 150 pro Anreise | 450 € | das schwankt natürlich ziemlich |
Summe | 4200 € |
Ooops.
Ok, man muss aber auch sehen: Das sind dann eben auch 4 Wochen Urlaub gewesen, und die Summe hat sich bei mir über zwei Jahre verteilt – das macht das Ganze dann schon etwas erträglicher.
Wenn man im Anschluss dann auch noch seine eigene Ausrüstung (neu) kauft kommen schnell nochmal mindestens 3.500 Euro dazu.
Halten wir fest: Joggen ist entschieden billiger. Aber, hey, wie oft kommt es vor, dass man beim Loslaufen an der Joggingstrecke bewundert angestarrt, fotografiert, gefilmt und gelegentlich sogar beklatscht wird, hmm? Denn damit muss man leben: Am Start stehen *immer* Touristen und schauen einem zu.
Ist Gleitschirmfliegen gefährlich?
Ja. Aber das ganze Leben ist gefährlich und endet in 100% aller Fälle mit dem Tod. Warum also nicht auch was daraus machen und vorher noch ein paar großartige Eindrücke mitnehmen?
Bemühen wir mal die Statistik: Geitschirmfliegen hat nach grober eigener Schätzung (40.000 Piloten * 30 Flüge und ca. 8-10 Todesfälle pro Jahr) einen Mikromort Wert von etwa 8 und ist damit in etwa genauso gefährlich wie Tauchen, Fallschrimspringen, einen Marathon zu laufen oder mit dem Motorrad eine kleine Ausflugstour von 80 km zu machen.
Darüberhinaus lässt sich das Risiko natürlich auch in einem gewissen Rahmen steuern, indem man es eben vermeidet, bei zweifelhaftem Wetter oder in kompliziertem Gelände zu fliegen.
Und da das nicht jeder weiß: Natürlich hat man als Gleitschirmflieger immer auch noch einen Fallschirm für den Fall des Falles (<- Hah! Schenkelklopf!) dabei.
Wie geht es anschliessend weiter?
Die oben geschilderte Ausbildung bis zur A-Lizenz ist der erste, muss aber nicht der letzte Schritt in der Gleitschirmpilotenkarriere sein. Sicherlich sinnvoll ist es, anschließend auch ein Sicherheitstraining zu absolvieren, in dem dann auch ungewöhnliche Situationen in einem besonders gesicherten Umfeld (nämlich über Wasser und mit Schwimmweste) geübt werden. Fortbildungen kann man sicher nie genug machen. Und außerdem lockt dann auch noch die B-Lizenz, die es einem erlaubt auch mal „auf Strecke“ zu gehen und über längere Distanzen Überlandflüge zu machen.
Normale Flüge aber kann man auch schon mit der A-Lizenz machen, und zwar keineswegs nur in den Alpen oder den Mittelgebirgen, sondern auch in der platten Ebene – man kann einen Gleitschirm nämlich wie bereits erwähnt auch so ähnlich wie einen Drachen steigen lassen, indem man ihn an einer Schnur befestigt und dann sehr, sehr schnell rennt. Nur, dass in diesem Fall niemand durch die Gegend hecheln muss, sondern man sanft und elegant von einer Winde nach oben gezogen wird und dann ein paar hundert Meter über Grund versucht in einer Thermik weiter zu steigen.
Ein weiteres Highlight sind sicher auch geführte und organisierte Flugreisen die von diversen Anbietern angeboten werden und die einen in tolle neue Fluggebiete führen.
Wie unschwer zu erkennen ist, bin ich ziemlich begeistert von meinem neuen Hobby – auch wenn es sauteuer ist, man viel zu wenig Urlaubstage hat und die Berge von Berlin aus betrachtet entschieden zu weit weg liegen. Und ich kann nur wirklich jedem, der halbwegs gut mit der Höhe klar kommt empfehlen, es selber mal zu probieren, sei es im Rahmen eines Tandemflugs, eines Schnupperkurses oder gleich „richtig“ mit einer kompletten Ausbildung.
Weiterlesen:
Hier ist die Liste aller Gleitschirmschulen in Deutschland und Österreich.
Auf den Seiten des DHV findest Du auch nochmal genau aufgeschlüsselt was alles zu einer Gleitschirmausbildung dazugehört.
Meine persönliche Lieblingsschule: 1. DAeC Gleitschirmschule in Rieden am Forggensee
Ok, das was DER Typ da treibt werden normalsterbliche Menschen natürlich niemals machen. Aber trotzdem – es beschreibt ganz gut das Gefühl, das man hat, wenn man irgendwann hoch oben über den Dingen schwebt:
Hausmeister dieses Blogs: Kümmert sich um verstopfte Internetleitungen, quietschende Datenbanken, klemmende Passwörter. Und gelegentlich schreibt er dann auch mal was darüber.