Piemonte bedeutet „Am Fuße der Berge“

Goethe machte einen großen Fehler, als er auf seiner Italienischen Reise das Piemont in Norditalien oben rechts liegen ließ.
Vielleicht mochte er sich nicht auf die Eselspfade begeben, die in dieser straßenlosen Gegend die Dörfer miteinander verband. Vermutlich waren die Menschen ihm hier etwas zu ursprünglich, die ihre Steinhäuser so bauten, dass das Vieh im Stall die gute Stube mitwärmte. Sicher waren ihm hier zu wenige Spuren der Antike vorhanden, Sehenswürdigkeiten kommen nicht mit der Pauke, Rom Meilen zu weit entfernt. An der ökologischen Vielfalt hätte er jedoch wahre Freude gehabt, was er vermutlich nicht einmal ahnte, und auch die bezaubernde Aussicht auf die Ausläufer der Alpen ist ihm hier, wo noch heute die Zeit ein bisschen langsamer zu schreiten scheint, entgangen.

Inhalt des Artikels

Das Piemont in Norditalien
Sehenswürdigkeiten im Piemont: Ein Roadtrip in 5 Tagen

Übersichtskarte
San Giulio am Lago d’Orta
Zauberhafte Steindörfer
Mailand
Lago Maggiore
TTT – TierischeTouriTipps
Weitere Infos

Das Piemont in Norditalien

Das Piemont ist ein bisschen anders als der Rest Italiens. Hier darf man den ganzen schönen Tag lang Wanderschuhe anhaben, ohne sich komplett underdressed zu fühlen, wie das in Florenz, Mailand, Rom oder auch in der Cinque Terre der Fall ist. Die Menschen sind wie das Wetter ein bisschen abgekühlter, was mir etwas sprödes Nordlicht ein bisschen entgegenkommt. Freundlich sind sie trotzdem. Ich ja auch.
Italienische Klischees, auf die ich im Urlaub nicht verzichten möchte, finde ich dennoch.

Die Innenstadt von San Giulio am Ortasee

Die Innenstadt von San Giulio am Ortasee

Wir hatten uns auf in das Piemont gemacht, um ein paar schöne und eher faule Tage zu verbringen nach den letzten arbeitsreichen Wochen, und weil ich ganz zufällig Flüge nach Mailand gewonnen und mich letztes Jahr auf einer Pressereise unheimlich ins Piemont verknallt habe, organisierte ich ein kleines Hotel direkt am Ortasee, mitten im Piemont – ein Traum.

der Ortasee, Lago d Orta an den Ausläufen der Alpen

Lago d Orta an den Ausläufen der Alpen – Dieser Stop sollte auf einem Roadtrip durch Italien schon sein.

Allerdings wurde der Traum etwas wässriger, als uns lieb war.

„Wie – in Italien soll’s regnen?“ Völlig verständnislos guckte ich den Mann an. „Das kann doch gar nicht sein, wir fahren nach ITALIEN! Hier ist das Wetter IMMER toll!“
„Macht doch nix“, sagte der, „es wird ja nicht die ganze Zeit regnen, und wenn es das tut, können wir wenigstens ohne schlechtes Gewissen im Hotelzimmer gammeln“. Er sollte Recht behalten.

Während wir also auf Roadtrip durch Norditalien machten und stets dem Regen entkamen, schüttete es mittendrin einen Tag aus Kübeln, den wir dann im Hotelbett verschliefen – großartig.

Sehenswürdigkeiten im Piemont: Ein Roadtrip in 5 Tagen

Piemont Karte:

Piemont Karte; Karte Norditalien, Piemonte

Karte Piemont, Norditalien

Legende:

SanGiulioStern: San Giulio am Ortasee, zauberhafter Ort mit italienischem Flair, genügend günstigen Unterkünften, kleiner und hübscher als Omegna.
Kreuz: Santuario Madonna del Sasso. Die Wallfahrtskirche liegt hoch über dem See spektakulär auf einem riesigen steil abfallendem Felsen. Unglaubliche Aussicht!
AronaStern: Arona, sehr touristisch und im Sommer überlaufen, dem Charme der Uferpromenade des schönen Sees mit den Bergen im Hintergrund kann man sich trotzdem schwer entziehen.
Statue: Statue des San Carlo Borromeo, heiliggesprochener Erzbischof von Mailand; wurde 1698 fertiggestellt und ist mit über 30 Metern die zweitgrößte begehbare Statue der Welt nach der Freiheitsstatue. Man kann über eine Leiter bis in den Kopf aufsteigen. Sehr zu empfehlen, jedoch nichts für Klaustrophobiker.
ValleGrandeTanne: Valle Grande, Nationalpark mit den angeblich schönsten Strecken zum Wandern im Piemont.
BordoHäuser: Teils verlassene Steindörfer (ein Teil ist nur zu Fuß erreichbar!) mit grandiosen Ausblicken. Nicht verpassen!
Im Einzelnen:
Tappia – ist komplett restauriert dank sehr engagierter Bewohner und eines Bürgermeisters, der selbst ein bisschen Wein anbaut, den er Touristen auch gerne mal verkosten lässt. Tipp: Immer Kleingeld als Dank in der Tasche haben!
Viganella – traumhaftes Dorf mit alten Steinhäuschen aus dem 17./18. Jahrhundert. Unbedingt sehenswert!
Bordo – buddhistisches Dorf, unglaublicher Blick in die Täler und auf die Berge!
Cheggio – wunderschön gestaltetes Künstlerdorf. Wird heute von ehemaligen Mitgliedern der Gemeinde Tappia bewohnt.
SacroMonteKreuz nahe Domodossola: Sacro Monte di Domodossola, Heiliger Berg („Kalvarienberg“) mit einer 1690 geweihten Wallfahrtskirche. Wunderbarer Ausblick!

San Giulio am Lago d’Orta

Der Lago d’Orta, der Ortasee, ist die kleine und unbekanntere Schwester vom Lago Maggiore, letzterer ist leider mittlerweile im Sommer ziemlich überlaufen und teuer. Am Lago d’Orta gibt es dagegen nur ein Zehntel der Betten, viel kleinere Orte und kaum zugebaute Seeufer. Wir haben den See mit dem Auto einmal umrundet und San Giulio ist für mich tatsächlich der Ort mit dem schönsten Flair gewesen: Kleine Gassen, alte Häuser, Gelaterien.

Italienischer Eisladen, Roadtrip durch Italien

Gelato!

Zauberhafte kleine Gassen in San Giulio, Italien

Was durch muss, muss durch: Die Bewohner San Giulios haben ihre Tür- und Klingelschilder häufig in der Wand versenkt, weil diese die rabiat durchschrammenden Autos nicht überleben würden.

Kleine Gasse, Italien

Bella Italia

Außerdem liegt der Ort zu einem Teil auf einer Halbinsel, vor der wiederum die malerische Isola San Giulio im Wasser liegt – fast schon ein bisschen zu kitschig klischeehaft und einen weiteren Ausflug wert.

Isola San Giulio

Die Insen San Giulio

Ein Wanderweg führt zu einem Teil am See entlang – das ist nicht selbstverständlich, denn vielerorts sind Seeufer in Italien Privatgelände. Hier finde ich die Mischung aus Authentizität und Touristenbebauung gelungen.

Morgenstimmung am Ortasee

Morgenstimmung am Ortasee

Warum so viele alte, wirklich wunderschöne Gebäude leer stehen, haben wir nicht ganz herausfinden können und vermuten eine Kombination aus Baufälligkeit und der Zweitwohnungssteuer, die vor einiger Zeit eingeführt wurde und viele Menschen dazu zwingt, ihre Zweitwohnungen aufzugeben.

Wunderschöne, leider auch viele verlassene alte Gebäude in San Giulio

Wunderschöne, leider auch viele verlassene alte Gebäude in San Giulio

Tipp: Eine wirklich grandiosen Ausblick hat man von der Wallfahrtskirche Madonna del Sasso aus dem 18. Jahrhundert, die schon von unten spektakulär aussieht, steht sie doch auf einem Granitfelsvorsprung hoch über dem See, auf der anderen Uferseite.

Wunderschöne Aussicht von der Wallfahrtskirche Madonna del Sasso

Wunderschöne Aussicht von der Wallfahrtskirche Madonna del Sasso

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Zauberhafte Steindörfer im Piemont

Über die süßen kleinen Dörfer nördlich des Lago d’Orta habe ich schon einmal berichtet. Da sie auf den meisten Karten inklusive Google Maps nicht zu finden sind, habe ich sie auf meiner eigenen Karte oben eingezeichnet.
Von Villadossola aus geht es nach Westen oberhalb des Flusses Torrente Ovesca in die Berge, wobei man die letzten Meter in einige Dörfer laufen muss.

Viganella, altes Steindorf im Piemonte, Italien

Viganella

Viganella ist bezaubernd chaotisch, Bordo ist ein buddhistisches Dorf, das man durch die bunten Fähnchen leicht findet.

Eine Stupa im Buddhistendorf Bordo

Die Buddistische Stupa chaut ins Tal. Die schöne alte Dorfkirche wird als Versammlungsraum genutzt.

Bordo musste ich alleine wegen der grandiosen Aussicht noch einmal besuchen, die Reinhold Messner einst mit dem Himalaya verglich.

Terrasse mit traumhaftem Ausblick in die Berge des Piemonte

Eventuell bekommt man einen Kaffee auf der Terrasse mit traumhaften Ausblick angeboten

Oberhalb von Bordo liegt Cheggio, sieht aus wie ein Künstlerdorf und ist von ehemaligen Bordo-Buddhisten errichtet worden. Sollte ich mal das Bedürfnis haben, mich ein paar Monate zu verkrümeln, würde ich hierher kommen. Mich jedenfalls hat die Aussicht und die friedliche Ruhe hier wieder einmal sehr gefesselt.

Cheggio, eines der vielen sehenswerten Dörfer auf unserem italienischen Roadtrip

Cheggio mit freiem Blick auf die Berge und das Buddhistendorf Bordo

Tappia, weiter nördlich gelegen, ist von seinen Bewohnern praktisch vollständig restauriert worden, was eine Ausnahme darstellt: Die alten, teils über 300 Jahre alten Steinhäuser mit ihren Steindächern sind schwer zu unterhalten, außerdem ziehen die Jüngeren lieber ins Tal und nehmen die Autofahrten und anstehenden letzten Fußmeter ungerne auf sich. In fast keinem dieser Dörfer ist es möglich, sein Auto vor der Haustür zu parken. Andere Dörfer sind daher zu großen Teilen unbewohnt und die schönen Häuser verfallen.

In Tappia empfielt es sich, ein bisschen Kleingeld für eine spontane Probe eines hauseigenen Weines in der Hand zu haben.

Tappia, altes Steindorf auf unserem Roadtrip durchs Piemonte

Tappia ist vollständig von den Bewohnern restauriert

Unbedingt zu empfehlen ist Viganella. Das dunkelste Dorf Italiens wird es genannt, denn in einigen Wintermonaten steht die Sonne nicht hoch genug, um das Dorf zu beleuchten. Auf dem Dorfplatz gibt es gratis WiFi, Zeit also für ein Instagram, und hinterher muss man unbedingt sich einmal in dem kleinen Gassengewirr verlaufen, das geht dann ungefähr so:

VIDEO: Quatsch im Dorf

 

Wer sich hier einmieten möchte, ist im Casa Vanni* absolut gut aufgehoben: Ein wunderschönes Haus, schöne schlichte Zimmer und fantastisches Essen.

Casa Vanni in Viganella

Im Casa Vanni in Viganella schläft man nicht nur gut, sondern isst vor allem hervorragend. Weinprobe inklusive.

Mailand

Mailand ist gerade einmal eineinhalb Autostunden entfernt und einen Abstecher wert. Nicht verpassen sollte man hier den Blick vom wunderschönen Dom, dessen Dach man besteigen kann.

Mailand Blick auf den Domplatz vom Domdach

Mailands schönsten Platz überblickt manam Besten vom Domdach

Lago Maggiore

Der Lago Maggiore ist wunderschön und touristischer als der Lago d’Orta. Man kann ihn umrunden oder sich ein einem der schönen Ort niederlassen und die Aussicht genießen, zum Beispiel in Arona.

Lago Maggiore

Lago Maggiore – heute ist es ruhig

Arona, Marktplatz. Station unseres Roadtrips durch das Piemonte, Italien

Zentralplatz in Arona

Nahe des Zentrums Aronas, auf einem Hügel gelegen, kann man die knapp 32 Meter hohe Statue des San Carlo Borromeo besichtigen, die einst größte begehbare Statue der Welt aus dem Jahre 1698, bis die Freiheitsstatue sie auf den zweiten Platz verdammte.

Statue San Carlo am Lago Maggiore

Groooß!

Auch heute noch kann sie besichtigt werden, man sollte aber weder klaustrophobisch noch höhenängstlich veranlagt sein. Sehr undeutsch mussten wir uns nicht einmal festzurren, um die steile Leiter mit Überhang hochzuklettern. Ein paar interessante Verbote gibt es dennoch:

In der Statue San Carlo am Lago Maggiore

„Es ist absolut verboten die Einrichtungen zu erbrechen“

Tipp: Weil der Mann eine Autofahrpause brauchte und ich keinen Führerschein habe, haben wir das Auto am großen Uferparkplatz am Corso Repubblica stehen gelassen (Link zur Karte) und sind mit einer gloriosen Bimmelbahn direkt vom Platz bis zur Statue gefahren. Dafür bekommt man dann wiederum ermäßigten Eintritt auf die Statue, Kosten: 6 Euro für Bimmelbahn und 2,50 für den Eintritt.

Wer jetzt noch ein paar Tage an den Roadtrip dranhängen kann, ist eindeutig zu beneiden. Ich komme jedenfalls wieder, denn Goethe, der Olle, hatte eben doch nicht von allem eine Ahnung.

TTT – TierischeTouriTipps

Beste Reisezeit für das Piemont / Norditalien:

  • Der Mai ist zu empfehlen, wenn man es beschaulicher mag. Die Vor-Saison beginnt Ostern, am 1. Mai ist dann schlagartig mehr los, in der Hochsaison ist es recht voll, am Ortasee ist weniger los als am Lago Maggiore. In den Bergen ist es im Mai allerdings noch kühl, der Schnee lag dieses Jahr sehr lange.
  • Im Juli/August sind hier etwa doppelt so viele Touristen, hauptsächlich italienische, scheint mir. Im Herbst dürfte es dann wieder ruhiger werden.

Hinkommen:

  • Von Berlin aus kommt man mit dem Flugzeug in knapp eineinhalb Stunden nach Mailand, von dort geht es mit dem Mietwagen in etwa einer Stunde nach San Giulio.

Unterkommen:

  • San Giulio am Lago d’Orta ist ein wunderbarer Ausgangspunkt, weil man sowohl zum Flughafen, nach Mailand wie rauf in die Berge nicht lange braucht. Außerdem, hey, wohnen am See!
    San Giulio ist außerdem der hübscheste Ort am Ortasee, Omegna im Norden fand ich nicht ganz so fotogen, bin allerdings auch nur durchgefahren. Es gibt zig Bed & Breakfast, einige Hotels und auch einen Campingplatz, zu finden unter http://www.ortasee-info.de.
  • Tipp: Wir waren im Hotel Santa Caterina* untergebracht. Das Hotel ist einfach, wurde allerdings komplett renoviert und ist heute ein hübsches und sauberes Drei-Sterne-Hotel in zentraler aber ruhiger mit manchmal etwas gewöhnungsbedürftigen Interieur, allerdings größtenteils sehr schlicht und schön hell gehalten.
    Hotel Santa Caterina

    Zimmer im Hotel Santa Caterina

    Seeblick hatten wir nicht, dafür einen süßen Balkon mit schöner Aussicht und einer entspannten Atmosphäre. Zu erwähnen ist das für Italien sehr untypische umfangreiche und extrem leckere Frühstück: Biosäfte, Käseauswahl, Obst, Törtchen, Antipasti!
    Für ca. 75-100 Euro pro Doppelzimmer (Preise pendeln je nach Saison, lokalen Feiertagen und Events) ist das Frühstück und WLAN im Aufenthaltsraum inklusive. Barrierefreiheit ist gegeben, zur Tiefgarage führt direkt ein Fahrstuhl. Ob es ein rollstuhlgerechtes Zimmer gibt, müsste allerdings erfragt werden. Allerdings ist die Gegend grundsätzlich eher schwierig für Rollstuhlfahrer, Italien hat da gehörig Nachholbedarf.

  • Wer es ursprünglicher mag, mietet sich in Viganella im Casa Vanni* ein. Die Betreiber sprachen bei meinem Besuch ausschließlich italienisch, die Verständigung mit Händen und Füßen war aber problemlos möglich. Hier habe ich ein absolut hervorragendes 8-Gänge-Menü mit wunderbarem Wein genießen dürfen, den man keinesfalls auslassen sollte. Achtung: Im Ort gibt es kaum etwas zu kaufen, alles Nötige besorgt man daher lieber vorher.
  • Einen schönen Unterkunfts-Tipp in Alzo am westlichen Ufer des Ortasees hat meine Bloggerkollegin Chris von ihrem Roadtrip mitgebacht: das Hotel La Seca di Orta.

Einkaufen/Essen:

  • In den Steindörfern gibt es leckere Hausküche, man muss allerdings Glück haben, etwas zu finden. In St. Giulio ist für jedes Budget etwas möglich. Nicht vergessen sollte man, dass das Trinkgeld meist schon in Form eines „Bestecks“ bezahlt wird. Aus einer günstigen Pizza für 10 Euro wird dann schnell ein 50 Euro-Essen für zwei, wenn man auch noch ein teures Getränk bestellt.
  • Wer es lecker und günstig haben möchte, kauft im Supermarkt ein! Im „Penny“ sind mir die Augen ausgefallen, weil Oliven und aller Arten von Antipasti wahnsinnig günstig waren. In dieser Region ist auch etwas dunkleres Brot schönerweise nicht unbekannt.
Pizzabäcker schwarzweiß

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Dieser Artikel entstand 2014 und wurde 2023 aktualisiert.