Titelbild: Das gefräßigste unter den antarktischen Raubtieren: Der großzahnige Eisfrosch.
Dass die Touristenschiffe wieder in die Antarktis fahren, ist gar nicht der Grund, diesen fast 10 Jahre alten Artikel aus der Versenkung zu holen und zu aktualisieren, sondern der mittlerweile drastische Klimawandel gerade in arktischen und antarktischen Gefilden. Ich hatte zweimal das unglaubliche Glück, in die Antarktis zu reisen, und auch in der Arktis war ich einige Male. Mit den kurzweiligen Berichten möchte ich eher einen winzigen Beitrag zum Verständnis über diese Gebiete leisten, denn sonst wären meine Reisen ja irgendwie komplett überflüssig gewesen – außer für mich persönlich natürlich.
Lasst Euch also ein bisschen berieseln und bestaunt die Bilder dieser eisigen, wunderschönen Welt, die es wert ist, gerettet zu werden.
Die Antarktis – ein Kontinent der Superlative
Die Antarktis ist der kälteste Kontinent der Erde.
Der Kältepol ist nicht der Südpol, sondern ursprünglich die Gegend bei der russischen Forschungsstation Vostok mit offiziell gemessenen minus 89,2 Grad. Mittlerweile gibt es auf einem Plateau der Ost-Antarktis einen neuen Rekord mit minus 93 Grad.
Die Antarktis ist der höchste Kontinent der Erde.
Das Eis liegt im Inland bis zu fast 5000 Meter hoch, im Mittel ist die Antarktis etwa 3000 Meter hoch.
Die Antarktis ist der trockenste Kontinent der Erde.
Ja, Ihr habt richtig gehört. Es gibt dort sehr wenig Niederschlag, die Antarktis gilt deshalb auch als größte Wüste der Erde.
Die Antarktis ist der windigste Kontinent der Erde:
Hat mit Luftmassenkram und sowas zu tun – warme Winde fallen nach unten undsoweiter. Egal, jedenfalls: SEHR viel Wind, SEHR oft, SEHR stark.
Die Antarktis ist natürlich der Kontinent mit der größten Eismasse.
An zweiter Stelle steht übrigens die Arktis und an dritter das patagonische Inlandeis.
Ein paar skurrile Fakten zur Antarktis
Die erste Antarktis-Touristenreise fand quasi gerade erst vor knapp über 60 Jahren Ende der 50er Jahre statt – mit 5 Särgen an Bord, so sicherheitshalber, denn die 58 Gäste waren schon etwas älter (ändert sich eben doch nicht alles) und so richtig wusste man wohl nicht, worauf man sich einließ.
Es klappte dennoch, ohne einen Sarg zu befüllen, und die berühmte MS Lindblad Explorer nahm dann 1971 den regelmäßigen Kreuzfahrtverkehr zur Antarktis und in andere polare Gebiete auf. Das „kleine rote Schiff“ quittierte dann standesgemäß auch den Dienst in der Antarktis: Die Explorer sank im Jahr 2007 in antarktischen Gewässern. Passagiere und Crew kamen dabei nicht zu schaden, aber 185.000 Liter Treibstoff flossen in das Südpolarmeer, eines der wichtigsten Ökosysteme der Welt.
Unter anderem war auch dies ein Grund, im Jahr 2011 das Schweröl als Treibstoff für Antarktisexpeditionen zu verbieten. Das Verbot gilt für alle Nationen durch das MARPOL-Abkommen.
Pinguine kacken mit einem Druck von bis zu 450 Torr (einem platzenden Autoreifen oder 53.329 Pascal). Für diese Untersuchung wurden zwei Wissenschaftler 2003 mit dem IG-Nobelpreis ausgezeichnet. Daher merke: Besser einen Meter Abstand zu den süßen Dingern halten (was man selbstverständlich ohnehin tun sollte, das gebietet der Umweltschutz und der Antarktisvertrag).
Pinguine wurden zum Heizen verwendet bzw. wurden bei Expeditionen die erwachsenen Exemplare zur Ölgewinnung aus den dicken Fettschichten genutzt. Die Öfen zur Trangewinnung mussten ja laufen, und man wollte die Kohle sparen. Auch wenn der Tran mal wieder ausgegangen war, weil die Wale zu großen Teilen schon erlegt waren, mussten die kleinen süßen Dinger herhalten. Auszug aus einem Bericht im Museum von Port Stanley:
„Schon seit Wochen war die Kohle knapp und unsere Tanks waren noch mehr als halb leer. Also taten wir erneut das, was wir bereits öfters getan hatten, wir fingen Pinguine.
Sie brannten ziemlich schlecht, aber es gab sie in Mengen. Wir fingen die Tiere direkt vor der Baracke und warfen sie gleich lebend in den Ofen. Das Geschrei der Tiere war unerträglich. […] An diesem Tag verfeuerten wir sicherlich 700 von ihnen.“
(aus: Pinguinlexikon auf pinguine.net).
Woran erkennt man ein Pinguinweibchen? Naaa? Ja logisch, am zerkratzten Rücken. Hö – wie? Na so:
FAQs – ein paar Antworten zur Antarktis
Was ist die Antarktis?
Politisch gesehen ist alles südlich 60° südlicher Breite die Antarktis, was der Antarktisvertrag von 1959 festgelegt hat, der mittlerweile erneuert worden ist und von vielen Ländern unterzeichnet wurde. Es bestehen zwar Gebietsansprüche verschiedener Länder, die aber bis dato nur pro forma existieren.
Geografisch gesehen spricht man von der Antarktischen Konvergenz. Sie befindet sich bei etwa 50° südlicher Breite einmal um den Kontinent herum und ist eine Bezeichnung für die Grenze der wärmeren Ozeanwasser zum kalten antarktischen Zirkumpolarstrom, ein gegen den Uhrzeiger fließender, die Antarktis einschließender Strom. Wird diese Grenze überschritten, sinkt spürbar die Meeres- sowie Lufttemperatur und man darf laut schreien: Ich bin in der Antarktis!
Wegen der Antarktischen Konvergenz gehört auch Südgeorgien zur Antarktis – Traumziel aller Tierliebhaber:innen. Übrigens: Antarctica ist zwar auch die Englische Übersetzung von Antarktis, verwirrenderweise meint aber Antarctica im Deutschen das Antarktische Festland.
Wem gehört die Antarktis?
Niemandem. Das regelt ebenfalls der Antarktisvertrag.
Ansprüche gibt es allerdings genügend, und zwar von Argentinien, Australien, Chile, Frankreich, Großbritannien, Neuseeland und lustigerweise Norwegen.
Wer kümmert sich dann um den Umweltschutz und die Erhaltung?
Auch hier ist vieles im Antarktisvertrag geregelt, den ja viele Länder unterschrieben haben. Genaue Vorgaben zum Tourismus regelt die IAATO, die International Association of Antarctica Tour Operators, ein Tourismusverband, wenn man so will, dem sich erfreulicherweise die meisten die Antarktis bereisenden Unternehmen angeschlossen haben. Diese verpflichten sich, den Tourismus nach den Regeln der IAATO durchzuführen, z.B. an einem Anlandeplatz nur 100 Leute gleichzeitig auf Land zu lassen und Klamotten und vor allem Schuhe zu säubern, damit keine Mikroorganismen eingeschleppt werden und genug Abstand zu den Tieren zu halten. Hurtigruten, mit denen ich gefahren bin, sind natürlich ebenfalls im Verband.
Der IAATO hat man es übrigens ebenfalls zu verdanken, dass keine Schiffe mit Schweröl ins Antarktisgebiet reisen dürfen! Ich schreibe das als Ausrufezeichen, weil immer noch vielen nicht klar ist, dass solche Touristenschiffe wirklich absolut kein Vergleich zu Containerschiffen sind. Letztere fahren mit Schweröl und verursachen ein Vielfaches an Feinstaub, das große Umweltproblem vom Schiffsverkehr (noch mehr als CO2).
Wo fahren die üblichen Touristenschiffe hin?
Normale Touristenschiffe steuern lediglich die „Peninsula“, die antarktische Halbinsel an, das ist der aus dem antarktischen Festland herausguckende Zipfel (siehe roter Kringel auf der Karte unten). Diese ist noch deutlich wärmer als der Rest des „Festlandes“. Südlicher ist ein Schiffsverkehr selbst im Sommer kaum möglich, man muss auf das Packeis ausweichen. Ich war also auf meiner ersten Reise auf den Süd-Shetlandinseln sowie auf verschiedenen Inseln vor der Antarktischen Halbinsel sowie auf der antarktischen Halbinsel selbst.
Wer ein bisschen mehr Geld übrig hat (oder unverschämterweise eingeladen wird wie ich), macht eine dreiwöchige oder längere Reise in die Antarktis und nimmt dann neben den Falklandinseln bzw. Malvinas noch Südgeorgien mit.
In Südgeorgien hat man dann nicht nur ein Anlandungsproblem, weil so viele Seelöwen und Seeelefanten herumlungern, sondern weil die Insel auch noch voller Pinguine ist.
Leben Menschen in der Antarktis?
Ja! Viele, sogar Kinder! Es gibt viele Forschungsstationen, und es sind sogar Kinder geboren worden. Vor allem die Argentinier haben sich hier ins Zeug gelegt (was natürlich auch mit den Gebietsansprüchen zu tun hat). Die Station Esperanza durfte ich selbst auf meiner Reise besuchen – leider waren die Kinder gerade in den Ferien in Argentinien.
Besteht die Antarktis nur aus Eis?
Nein. Würde das ganze Eis abschmelzen (Gott bewahre), gäbe es einen Inselkontinent. Quatsch! Würde das ganze Eis abschmelzen, wäre der Wasserspiegel um irgendeine unglaubliche Anzahl an Metern erhöht. Also korrekter: Würde man jetzt einfach das Eis entfernen, würde die Antarktis aus lauter Inseln bestehen.
Was ist Packeis?
Als Packeis bezeichnet der gemeine Seefahrer in der Regel viele dicke Eisschollen, durch die er das Schiff mit den gierig nach der Antarktis lechzenden Touris nicht mehr steuern kann, weil es zu viel und zu dicht ist. Packeis enthält Salzwasser, denn es entsteht durch gefrorenes Meerwasser.
Was ist Schelfeis?
Schelfeis ist ein sehr großes, festes Stück Eis, dass noch mit dem Landeis verbunden ist, jedoch auf dem Wasser schwimmt. Schelfeis „kalbt“, also bricht in Stücken häufiger ab und treibt dann als Eisberg im Wasser. Ihr kennt sicher alle Nachrichten vom „riesigen Stück Schelfeis, das abgebrochen ist“. Wenn die abgebrochenen großen Stücke noch wie das Schelfeis aussehen, nennt man sie Tafeleisberge. Ein gigantisches Schelfeis-Stück ist während meiner zweiten Reise 2015 abgebrochen und unser Schiff ist dann an diesem riesigen Teilstücken vorbeigefahren.
Im Bild festhalten konnte man diesen gigantischen Anblick nicht und ein bisschen mulmig wurde einem auch dabei, schließlich ist es nicht normal, dass diese Stücke abbrechen, und zweitens wissen wir mittlerweile, dass diese Stücke drastisch schnell schmilzen, weil auch der Antarktische Zirkumpolarstrom wärmer wird.
Logische Konsequenz natürlich: Schelfeis und Eisberge bestehen aus Süßwasser.
Wieso schimmert das Eis manchmal blau?
Obwohl ich weiß, dass das mit den Wellenlängen und der Lichtbrechung zusammenhängt, ist mir dieses Blau immer noch ein Rätsel, denn es leuchtet selbst bei anscheinend trübstem Wetter wie aus sich selbst heraus. Fakt ist, dass es umso blauer erscheint, wenn das Eis im Laufe der Jahre zusammengepresst wurde und weniger Luftbläschen im Eis enthalten sind. Dadurch ändert sich die Absorption der verschiedenen Wellenlängen. Anders gesagt: rotes, orangenes und grünes Licht wird absorbiert, das blaue Licht bleibt für unser Auge sichtbar. (Wenn das jetzt total dusselig ausgedrückt ist, freue ich mich über eine bessere Erklärung).
Gibt es Pflanzen in der Antarktis?
Wer jetzt über die blöde Frage lacht, hat Pech: Ja, es gibt Pflanzen, und zwar genau zwei Blühpflanzen und verschieden Flechten. Haha.
Werde ich Pinguine sehen, wenn ich in die Antarktis fahre?
DEFINITIV! Für die Antarktis gibt es eine Pinguingarantie! Pinguine sind die Ratten der Antarktis: Es gibt sie nicht in einigen Gegenden – SIE SIND ÜBERALL! Millionen! Und selbst der Millionste ist noch entzückend, auch wenn Pinguine mittlerweile bedroht sind. Aufgrund der Anzahl sind sie es (noch) nicht, bei einigen Arten jedoch geht die Anzahl aufgrund des Klimawandels derart drastisch zurück, dass sie als bedroht angesehen werden.
Wie die Antarktis ist?
Die Antarktis ist bizarr.
Seltsames Licht… Selbst wenn es Grau ist, ist alles sehr hell und trotz tief hängender Wolken kann man unheimlich weit schauen.
Wie fotografiert man riesige Schneehaufen? Hm.
Die beeindruckendsten Eisskulpturen direkt nebeneinander.
Die Antarktis ist wunderschön.
Und sehr wild.
Und so abgedroschen es klingt: atemberaubend.
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Seit 15 Jahren ist Inka Redakteurin, Reisebloggerin und Autorin in Berlin und Brandenburg. Sie hat mehrere Reiseführer über die Region geschrieben und veröffentlicht ihre Tipps und Geschichten im Spiegel, Tagesspiegel und verschiedenen Magazinen. Außerdem Möchtegernentdeckerin, Liebhaberin der polaren Gebiete unserer Erde und abschweifend in der Welt. Hier Chefin vom Dienst.