Ein Museumsdorf in Brandenburg – das klingt nach verstaubten Vitrinen und toter Geschichte. Doch die Baruther Glashütte ist anders: Im Künstlerdorf lebt eine kleine Gemeinschaft, in den wunderschön restaurierten Fachwerkhäusern wird allerlei Kunsthandwerk angeboten und sowieso ist Glashütte ein ziemlich perfekter kleiner Wochenendausflug.
Landlust im Fläming
Stetig schwanke ich in meinem Wunsch, ein uraltes Bauernhäuschen auf dem Land zu erwerben oder doch weiter in Berlin zu bleiben. Im Haus vom Mann gleich an der Berlin-Brandenburger Grenze lebe ich irgendwas dazwischen, was meinem ständigen Schwanken zwischen zwei völlig verschiedenen Lebensentwürfen vermutlich sogar derzeit entgegenkommt.
Lesetipp!
Im Artikel Einfach Brandenburg: 111+ Ausflugsziele und Tipps für den Kurzurlaub habe ich alle (na gut, fast alle) meiner Lieblingstipps für Brandenburg aufgeschrieben. Hier findest Du garantiert Inspiration.
Wenn ich dann aber wieder einmal so unglaublich toll renovierte Häuser wie in Glashütte sehe und die Dorfgemeinschaft erleben darf, die sich dort entwickelt hat, bin ich die Erste, die nach einem entsprechend käuflichen Objekt herumgoogelt.
Andererseits… ewige Kreditabzahlung, Renoviererei und Fahrerei zur Arbeit? Schwierig.
Vielleicht ist es doch die beste Idee, in meiner Herzensstadt Berlin zu bleiben, die so vielfältig ist, wie ich mir die Blumen meines Bauerngartens wünschen würde. Und dann verbringe ich eben auf dem Land einfach regelmäßig meinen Urlaub – ist ja auch irgendwie besser, als jahrelang mit Renovieren beschäftigt zu sein, oder?
Für solch einen Landurlaub kann ich das Museumsdorf Baruther Glashütte schwer empfehlen, denn es wäre viel zu schade, hier nur für einen Nachmittag herzukommen – was natürlich ebenfalls möglich ist, denn Glashütte liegt ja im Fläming, und wer es noch nicht weiß: Der Fläming ist das hübsche Gebiet gleich südlich von Berlin.
Dieser Kurzurlaub ist Teil meines Buches 52 Eskapaden in und um Berlin. |
Das Museumsdorf Baruther Glashütte
Der kleine Ort im brandenburgischen Fläming entstand bereits vor 300 Jahren als Siedlung zur Glasherstellung und besteht hauptsächlich aus der so typischen einzelnen Dorfstraße, an der entlang die verschiedenen Höfe angeordnet sind.
Das alte Gleis, auf dem die Rohstoffe früher zu den Glasbrennöfen transportiert wurden, ist teils erhalten, mehrere Gehwege und Holzstege sind außerdem gebaut worden, um die verschiedenen Höfe zu verbinden, ein alter Waggon vermittelt einen Eindruck der Geschichte des Ortes.
Das Museumsdorf Glashütte besteht gerade einmal aus etwa 50 Bewohnern und ist – anders, als sein Name vermuten lässt – durchgängig bewohnt. Die Bewohner bieten Ihr Handwerk zum Zuschauen, Kaufen und auch selbst ausprobieren an, von der traditionsreichen Glasmacherei über Puppenhandwerk bis zur Töpferwerkstatt. Eine Hutmacherin und Schneiderin hat sich im „Leinenkontor“ angesiedelt, Shibori- oder Filzkurse können besucht werden, besten Biokaffee und handgemachte Limonentorte im Schokoladen kosten und sich bei gutem Essen und Wein verwöhnen lassen. Nebenbei lassen sich die vielen alten Häuser mit vielen Gemüse- und Bauerngärten bewundern.
Die größte Besonderheit ist wohl die Gemeinschaft, mit der die BewohnerInnen hier leben und das alte Dorf wieder aufleben lassen.
Als wir hier ein Bloggercamp veranstalteten, trauten wir unseren Augen nicht, als wir am Abend von den BewohnerInnen fürstlich an der Dorfscheune mit allerlei selbstgemachtem Essen bewirtet und neugierig ausgefragt werden, was es denn mit der Bloggerei so auf sich hat. Noch lange saßen wir zusammen und merkten: Das hier ist echte Dorfgemeinschaft.
Das hat mich persönlich tief berührt und nachhaltig beeindruckt und insgeheim wünsche ich mir eigentlich, Teil davon zu sein.
Doch so ganz einfach geht das nicht: Um sich hier niederzulassen, muss man sich in die Gemeinschaft kreativ einbringen, das ist Voraussetzung. Genau diese Philosophie des Dorfes spürt man hier an jeder Ecke.
Anfahrt über den Bahnhof Klasdorf
Die Bahntrasse direkt nach Glashütte ist längst stillgelegt, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln reist man daher am besten mit dem Fahrrad im RE 3 bis nach Klasdorf an. Die Fahrt dauert vom Berliner Hauptbahnhof etwa eine Stunde. Von hier sind es noch etwa drei Kilometer bis nach Glashütte quer durch den Wald.
Der Bahnhof Klasdorf ist ohnehin einen Besuch wert: In Eigeninitiative wurde das denkmalgeschützte Gebäude restauriert, der Hauptraum wieder zugängig gemacht, ein Café eröffnet und das alte Stellwerk für regelmäßige Tanz- und Musikevents hergerichtet.
Verantwortlich dafür sind Katharina Schicke und Ihr Mann, der wiederum Museumsleiter der Baruther Glashütte ist. Auch weitere Klasdorfer engagieren sich hier finanziell. Durch diese Gemeinschaft konnte das Projekt gestemmt und sogar Ferienwohnungen ausgebaut werden. Diese sind ein guter Ausgangspunkt nach Glashütte, zum Fläming Skate oder ins Baruther Urstromtal.
Von der Einrichtung, die liebevoll rekonstruiert wurde, war ich wirklich sehr begeistert. Wenn sich die Gelegenheit ergibt (einfach telefonisch anfragen), dann am besten bei einem unglaublich köstlichen Brunch teilnehmen oder im Café einen der leckeren hausgemachten Kuchen probieren. Das Café öffnet von Mai-September immer Samstags und Sonntags von 14-18 Uhr.
Für alle Veranstaltungen gibt es einen unspammigen Newsletter ohne shishi, auf den ich mich habe setzen lassen. Vielleicht schaffe ich es endlich mal zu einer schönen Jazz-Session oder traue mich ja doch mal an Tango?
Rundgang durch Glashütte
Ein Rundgang durch das Dorf ist natürlich Pflicht. Schaut auf jeden Fall auch einmal hinter die Häuser, wo allerlei Gartenarbeit, Gemüseanbau und Imkerei stattfindet. Aber bitte vorher die Erlaubnis der Anwohner:innen erfragen, die hier jeden Tag mit den neugierigen Blicken der Gäste leben (müssen).
A propos Gäste: Am Wochenende hat sich das Dorf bereits zum beliebten Ausflugsziel gemausert, in der Woche geht es ruhiger zu, Montag ist für die Dorfbewohner:innen Ruhetag. Da einige Läden nur am Wochenende geöffnet haben, weil viele von ihnen einer weiteren Arbeit nachgehen, bietet sich ein Besuch von Donnerstag bis Samstag oder Sonntag an. Langweilig wird es hier sicher nicht.
Verschiedene Schilder weisen den Weg zu Läden und Highlights, und wenn Ihr dennoch nicht wisst wohin, traut Euch und fragt. Jeder kennt hier jeden und die Bewohner:innen geben gerne Tipps und Auskünfte, schließlich ist eine Idee, diese ursprüngliche Dorfgemeinschaft Gästen zu zeigen und so eben auch die Kreativwirtschaft erhalten zu können.
Das Museum
Das Museum hat die Geschichte der Glashütte aufbereitet und erzählt, wie ein Sturm vor 300 Jahren der Auslöser zur Gründung der Baruther Glashütte war. Das viele Holz der entwurzelten Bäume war hervorragend geeignet zur Glasherstellung, die „Sandgrube Brandenburg“ natürlich ohnehin prädestiniert, den wichtigsten Rohstoff zu liefern: Der noch junge Sand hier im Fläming gibt dem Glas die beliebte grüne Farbe.
Unbedingt zu empfehlen ist eine Führung durch das Dorf mit Museumsleiter Dr. Georg Goes. Die Führungen finden nach Vereinbarung statt und vermitteln kurzweilig Geschichte und Temperament des Ortes (und des Herrn Goes).
Die Glaswerkstatt
Im Schauraum kann man den Glasmachern bei der Arbeit zuschauen, die Glaswerkstatt lädt zum Mitmachen ein, vom Blasen einer Kugel bis zum richtigen Workshop. Außerdem kann man hier verschiedene Exponate kaufen. Ich konnte sogar meine eigene Glaskugel blasen. Wusstet Ihr übrigens, dass Glasmacher und Glasbläser nicht das gleiche ist?
Die Schmiede
Einen Schmied gibt es inzwischen leider nicht mehr, die Schmiede in der alten Hütte mit den komplett geschwärzten Wänden kann man aber immer noch bewundern.
Kreative Läden
Geht unbedingt ins hübsche Geschäft Hütten Werk, hier finden sich moderne Typographie-Spielereien, Postkarten, schöne Dinge aus Stoff, Metall und Papier. Der Clou: Zuckerdosen der Designerin Karina Wendt, die aus Glashütte stammt. Die Deckel stammen von alten verlorenen Zuckerdosen, der Bauch wird jeweils passend aus Glas angefertigt. Diese Designerstücke sind derzeit nur hier erhältlich und ich hätte sie alle aufkaufen wollen, was nur leider gegen meine derzeitige Nix-Kaufen-was-nicht-verbraucht-werden-kann-Policy verstoßen würde.
Den Laden Seifee habe ich doch glatt verpasst und werde mich beim nächsten Mal dick eindecken mit schönen handgemachten Seifen, die mir seit einiger Zeit ohnehin sämtliche Haut- und Haarmittelchen aus der Drogerie ersetzen (Nachhaltigkeit und so, Ihr wisst ja…).
In der Galerie Packschuppen gibt es Malereien, Skulpturen und Fotografien von Künstler:innenn der Region, außerdem einen kleinen Laden mit Nostalgischem Spielzeug.
Lukullische Genüsse
Das Frühstück genossen wir in der PottTeria. Hier wird das wunderschöne Töpfergeschirr nicht nur zum Kauf angeboten, sondern auch gleich ausprobiert. Frühstück gibt es hier jedoch nur nach Absprache, regulär gibt es ab 11 Uhr Kuchen und kleine Speisen. Drinnen ist es hübsch, draußen fast noch hübscher, denn man sitzt wie im Garten – absolut herrlich.
Auf gar keinen Fall den Besuch bei Albertine vergessen. Hier gibt es Schokolade und Kaffee aus vielen Teilen der Welt, auch in Bioqualität, und den herrlichsten Kuchen dazu.
Im Laden selbst hätte ich mich dusselig knipsen können und habe mich gefühlt wie vor 100 Jahren.
Wie ich schon erwähnt habe, sind wir in den Genuss gekommen, dass uns die Dorfgemeinschaft am letzten Abend fürstlich bekocht hat: Vor der Scheune haben wir am lauschigen Abend Stockbrot gemacht und leckere Salate und Kuchen vernascht. Auch wenn das leider nicht jedem Gast zuteil wird, gibt es noch andere Möglichkeiten für das Mittag- bzw. Abendessen:
Im Gasthof Reuner kann man hervorragend essen. Zum Gasthof gehört das in Zossen ansässige Flair Hotel Reuner (mit einer grottigen Webseite, schaut lieber auf die Facebookseite), auf dessen Grundstück das hauseigene Gemüse wächst.
Ohnehin arbeitet Herr Reuner gerne mit lokalen Erzeugern zusammen. Wir durften beim Zubereiten der Speisen ein wenig zuschauen und ich konnte nicht umhin, mir gleich sein Kochbuch vor Ort zu kaufen, denn mit ganz einfachen Zutaten und einem winzigen Geheimnis (namentlich Läuter-Zucker) ist ihm die leckerste schlichte Salatsoße gelungen, die mir je untergekommen ist.
Wer sich in den netten Ferienappartements selbst versorgen möchte, kann übrigens auch im Dorfkonsum einkaufen und dort viele Produkte der Region (u.a. von Reuners) erstehen.
Weinliebhaber machen am besten einen Termin im WeinSalon zur Weinprobe, bei der gerne auch lokale Weine gereicht werden. Feste Termine gibt es in der Regel nicht.
Rosig schlafen
Die sehr großzügigen Appartements Ros(t)ige Zeiten von Cordula Albrecht, in denen ich eingemietet war, haben mir unheimlich gut gefallen. Das uralte schöne Bauernhaus wurde in Handarbeit wieder hergerichtet, erzählt Cordula, was ich für einen kleinen Wahnsinn halte. Der Laden mit ihren handgemachten Filz- und Wollarbeiten sowie Gartenaccessoires befindet sich vorne, die Appartements mit Wohn-, Schlaf- und Badezimmer im ersten Stock, eine kleine Küche zur Selbstversorgung gehört dazu.
Hinten im Garten lässt es sich wunderbar unter dem Sonnendeck zum leisen „boak, boak“ der Hühner tiefenentspannen – die Hühner durften wir dann auch gleich füttern. Ach, und Ziegen gibt es selbstverständlich auch.
Einen Blick konnte ich außerdem in eine Gästewohnung vom Atelier und Gästehaus Neunlinden werfen. Es befindet sich in einem der ältesten Glasmacherhäuser im Ort und bietet schlichte und urige Gästewohnungen an, die durch viele schöne Malereien und alte Einrichtung bestechen.
Wo man sich hier auch niederlässt: Die Häuser haben jeweils einen schönen Bauerngarten, in dem man sitzen und entspannen kann. Nur Vorsicht ist geboten: Man könnte in die Versuchung kommen, sich für eines der unbewohnten Häuser zu bewerben. Ein paar davon gibt es nämlich noch…
TTT – TierischeTouriTipps
Erst einmal möchte ich Euch die sympathische und tatsächlich laufend aktuell gehaltene Webseite von Glashütte ans Herz legen. Hier werden sämtliche Veranstaltungen vorgestellt, und das sind so einige, vom Floh- bis zum Weihnachtsmarkt. Und auch, wenn letzterer vermutlich toll ist: Meine bevorzugte Zeit für einen Besuch wäre immer der Frühsommer, wo alles so herrlich sprießt und grün ist.
Schaut auch, was für Kreativwerkstätten Euch interessieren könnten, denn es wäre ja schade, vor Ort festzustellen, dass man was gaaanz Tolles verpasst hat. Vom Brotbackkurs über Filzen oder Shibori – gefühlt ist hier alles möglich.
Hinkommen:
Nach Glashütte kann man vom Bahnhof Klasdorf ca. 3 km durch den Wald laufen oder fahren: Dafür vor dem Bahnhofsgebäude auf der kleinen Straße nach rechts, am Bahnhofsgebäude entlang. Rechts halten und dem Hüttenweg immer geradeaus folgen, er führt direkt nach Glashütte. Nicht vergessen, den Bahnhof selbst zu bewundern und sich für den Newsletter einzutragen!
Unterkommen:
- Gästewohnung Ros(t)ige Zeiten. Ich zitiere mal aus den AirBnB-Bewertungen: „Ein Ort wie aus dem Bilderbuch, meine Frau meinte, sie hätte den Ort gerne eingepackt“. Und ja, da kann ich zustimmen.
- Gästehaus Neunlinden, urig-schlicht, künstlerisch, romantisch.
- Gasthof Reuner, wenn man gerne Frühstück und ggf. Abendessen gleich dabei haben möchte.
Einkehren:
- Frühstück (nach Vereinbarung) und Weinprobe (besser getrennt voneinander) im WeinSalon, wochenends 11-17 Uhr und auf Anfrage. Sicherheitshalber die Webseite nochmal checken.
- Nachmittagskaffee & Kuchen in der POTT-TERIA oder bei Albertine, jeweils geöffnet Dienstags – Sonntags 11-17 Uhr.
- Mittag- und Abendessen im Gashof Reuner, oder einfach im alten Konsum Leckereien einkaufen und selbst kochen.
Unternehmen in der Region:
- Den Bahnhof Klasdorf besuchen: liebevoll restaurierter Bahnhof mit Café und Pension sowie Veranstaltungsadresse, zum Beispiel für Tanzabende und Jazzkonzerte.
- Beim Bahnhof Rehagen vorbeischauen und fürstlich speisen, im Schlafwagen übernachten oder eine Runde Draisine fahren.
- Die „verbotene Stadt“ Wünsdorf besichtigen: ehemaliger Militärstandort der Sowjets und noch viel mehr Geschichte dahinter. Meine Geschichte darüber wird erst nach einem weiteren Besuch geschrieben, vorerst schaut Ihr mal bei Laura von Herzanhirn vorbei, die bereits drüber geschrieben hat.
- Im nahe gelegenen Wildpark Johannesmühle gibt es viele heimische Tierarten wie Mufflons, Damwild und Wölfe. Der Park bietet auch ehemaligen Zootieren eine neue und artgerechtere Heimat.
- Auf der Fläming-Skate kann man perfekt Fahrrad oder Longboard fahren.
Naja, und irgendwie ist sowieso alles Mögliche in der Nähe, aber irgendwie wäre es auch sehr schade, wieder wegzufahren.
Offenlegung: Glashütte lernte ich im Zuge einer Bloggerreise kennen, die vom Tourismusverein Fläming und u.a. von der großartigen Laura von Herzanhirn organisiert wurde. Unterkunft, fantastische Verpflegung und die tollen Aktivitäten wurden mir gestellt.