Das Salzburger Land erschien mir im letzten Sommer gerade richtig für einen kurzen Urlaub in Österreich.
Meine Zeit für die Berge ist der Sommer. Skifahren liegt mir überhaupt nicht und ich finde das ganze Gedöns darum relativ furchtbar. Grandios dagegen ist die Stille über den Almen, wenn die Sommerhitze flirrt und die Kühe bräsig zwischen den Dreschmaschinen auf ihren Halmen herumkauen. Ich wollte eigentlich ein bisschen auf Nomadentum machen und suchte einen Ort zum Kennenlernen und Arbeiten. Obertauern in Österreich schien eine gute Wahl, doch ich sollte nicht zum Arbeiten kommen.
Inhaltsverzeichnis
Fahrt von Salzburg und Ankunft in Obertauern
Der Grünwaldkopf: Steiler Aufstieg zum Seekarschneid
Zur Dikt’n Alm: Bergpanorama und schlafende Pferde
Zur Edelweiß-Alm: Kräuterkunde und Tisch-Ziegen
Und dann traf ich einen Beatle
TTT – TierischeTouriTipps
Fahrt von Salzburg und Ankunft in Obertauern
Schon die einstündige Bahnfahrt von Salzburg ist spektakulär: Rechts und links erheben sich die Berge bis zu 1500 Meter steil auf, die Sonne bescheint das Massiv zu meiner linken, während das rechte in den Wolken hängt.
Das Ding mit den Bergen ist: Es gibt hier einfach verdammt nochmal die besten Geschichten.
Eigentlich sollte dieser Artikel über die gute Almluft handeln, das zarte Örtchen Obertauern, Sommerruhe, Kaiserschmarrn und so etwas.
Tatsächlich geht es jetzt eher um Elfen, die Beatles und wie man sich draußen am Besten den Hintern abwischt.
Als ich in Obertauern ankomme, fällt das Meer vom Himmel. Es ist ein heißer Sommer in Berlin, ich bin in meinen leichtesten Sachen unterwegs, denn auch die Vorhersage für Obertauern ist: heiß. Um zwischen den schnieken Österreichern nicht blöde aufzufallen, habe ich meinen Rucksack zu Hause gelassen und meinen Koffer gepackt, vom Bahnhof sind es eigentlich nur 10 Minuten zu meiner Unterkunft. Doch ich brauche eine halbe Stunde, denn ich muss wegen Überschwemmungen große Umwege laufen und als ich im Hotel ankomme, ist mein Koffer komplett durchnässt. Das fängt ja gut an, mit mir und den Bergen. Den Abend verbringe ich mit Trockenföhnen und Pizza, die ich mir aufs Zimmer bestelle, denn ich habe nichts mehr anzuziehen.
Der Grünwaldkopf: Steiler Aufstieg zum Seekarschneid
Doch Österreich wollte mich wohl nur ein wenig wach küssen, am nächsten Morgen strahlt die Sonne zwischen den Wolken durch und ich mache mich auf, mein Fahrrad abzuholen. Als Führerscheinlose bin ich ja stets auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen und erst einmal möchte ich diese Gegend ein bisschen mit dem Rad erkunden.
Es ist wenig los, viele Almen haben keinen Tourismusbetrieb und die meisten Hotels sind geschlossen.
Ich finde es angenehm, nur der Baulärm aus manchen Hotels stört etwas – hier werden Sommers die Unterkünfte wieder auf Glanz gebracht. Ich kann mir ungefähr vorstellen, was im Winter los sein muss.
Die Wege sind fast überall extrem gut ausgebaut und fahrradfreundlich, die Räder kann man sogar mit in die Seilbahnen nehmen und oben die verschiedenen Wege abfahren. Da ich aber Wandern mag, lasse ich das Fahrrad unten an der Station stehen und fahre mit der Seilbahn die Grünwaldkopfbahn hoch.
Vorher plausche ich noch ein bisschen mit dem Seilbahnführer. Ja, im Sommer sei hier wirklich wenig los, meint der. Im Winter knüppelvoll, aber für den Sommer könnten Sie mehr Gäste gebrauchen. Sieben bis acht Monate Schnee haben sie im Jahr. Das Problem sei aber, dass der Schnee immer häufiger auf sich warten lasse.
„Die Leute“, sagt er, „fahren heute nicht mehr nach Naturgegebenheiten, die fahren nach Kalender. Die gucken nicht mehr, ob Schnee liegt, die fahren im Dezember.“
Ein bisschen nachdenklich steige ich in die Seilbahn. Ich bin weit und breit die einzige, die hier einsteigen will. Ein ganzer Berg für mich, denke ich. Oben angekommen glänzt mir ein Klavierflügel mitten auf der Wiese entgegen.
Kein Schild erklärt, um welches Kunstwerk es sich hier handelt, lediglich ein „BEATLES“-Schriftzug verziert das Objekt und „Obertauern 1966“. Hmja, ok, die Obertauern sind wohl große Beatles-Fans.
Nur sehr wenige Menschen sind hier, das Wetter ist ein Traum, ich beschließe, für einen noch besseren Ausblick „die paar Meter“ auf den Seekarschneid aufzusteigen.
„Joa, da steigens einfach die paar Meter hoach“, hatte der Mensch an der Station gesagt und auf den Weg zum Hügel hoch gezeigt.
Nach ca. 200 Metern fange ich bereits an zu schnaufen. Ich schleppe mich noch 100 Meter weiter, bis endlich die nächste Biegung kommt und ich aus seinem Blickfeld verschwunden bin, dann lasse ich mich erschöpft auf das Gras fallen. Ja, trotz meiner cool aussehenden Ausrüstung bin ich total untrainiert und pfeife aus dem letzten Loch, ick gebe et ja zu, ick komme doch vom platten Land!
Aber mein Ehrgeiz ist angestachelt und ich schaffe es auf den Gipfel auf 2288 Meter, wo ich grandiosen Internetempfang habe und erstmal stolz allen auf Instagram von meiner Leistung erzählen muss. Nebenbei ist es der schönste Ausblick, den ich seit langem gehabt habe.
Als ich wieder runterlaufe, muss ich zu meiner Schande ein paar Mal die Hände benutzen, so steil ist es – irgendwie sah das doch kinderleicht alles aus…
Zur Dikt’n Alm: Bergpanorama und schlafende Pferde
Zurück am Grünwaldsee habe ich mehrere Optionen zum Wandern und entscheide mich für die übersichtliche Tour zur Dikt’n Alm, denn sowohl die Tour wie die Alm sollen sehr hübsch sein und ich kann im Rundweg wieder nach Obertauern herunterlaufen.
Auf meinem Weg begegne ich nur wenigen Leuten. Zwei besonders Mutige schwimmen im eiskalten Wasser des Krumschnabelsees, der aussieht wie ein Infinitypool am Berg.
Schon wenige Meter später bin ich allein und muss mir selbst die Frage beantworten, ob mitten am Tag in der Sonne liegende Pferde tot sind, krank oder ob sie einfach nur schlafen.
Für ein Nickerchen in der Sonne erscheint mir das Wetter zu warm, andererseits scheren sich die Pferde drum herum überhaupt nicht, also beschließe ich, das ebenfalls nicht zu tun.
Im Glauben, Pferde lassen einen einfach so den Weg passieren, will ich mich an einem dicken Hintern vorbeiquetschen und muss zur Strafe ob meines Unwissens die verschiedenen Strippen meines Wanderrucksacks einzeln zwischen den Pferdezähnen wieder herauspopeln. In solchen Momenten bin ich immer einigermaßen froh, wenn niemand in der Nähe ist, denn gibt es kein Foto, ist es einfach nicht passiert. Ich muss jedenfalls grandios bescheuert ausgesehen haben.
Das Arbeiten verschiebe ich auf später. Das Wetter und die Umgebung sind so schön, dass ich nach der Alm noch ein paar Extrarunden drehe und mir lange Zeit lasse auf dem Weg zum Hotel.
Zur Edelweiß-Alm: Kräuterkunde und Tisch-Ziegen
Am nächsten Tag habe ich für den Vormittag eine Kräuterwanderung gebucht. Immerhin etwa 20 Leute inklusive einiger Kinder treffen sich vor dem Touristenbüro, wo uns Meike empfängt.
Wir stapfen los ins nahegelegene Hundsfeldmoor Richtung Edelweißalm.
Noch zwischen den Häusern fängt Meike an zu erzählen und ist voll in ihrem Element. Sie scheint jede Pflanze und jedes Kraut zu kennen. Die Gegend hier ist sehr artenreich und Naturschutzgebiet wegen einiger seltener Tier- und Pflanzenarten. Ich kenne die Vogelwicke, wusste aber nicht, dass man mit dieser früher das Mehl gestreckt hat. Wir lernen das Alpenhornkraut kennen, dass Klee sehr gesund ist und man sich mit den lila Blättern des Alpendost wunderbar den Hintern abwischen kann.
Ich schreibe fleißig mit, kann mir aber mal wieder die wenigsten Sachen merken. Meike unterhält derweil gut gelaunt die Kinder bei der Stange und erzählt, dass aus den Blütenblättern vom Frauenmantel die Elfen trinken.
Zwischendurch gibt es noch eine Barfußwanderung, bei der uns der Moor-Schmodder angenehm zwischen den Zehen herausquillt.
Dabei fällt mir ein Spruch einer Postkarte ein, die jahrelang im „Kitschklo“ meiner Mutter hing:
„Die Barfußmode hat, mein Schatz, mich wirklich hoch entzückt.
Mit einem Schlag nahm sie das weg, wo mich der Schuh gedrückt.“
Leider habe ich den Verfasser vergessen, Hinweise gerne im Kommentar.
Wirklich gruselig ist die Erkenntnis, dass hier inmitten der schönen Berge die giftigste Pflanze Europas herumsteht, die bei kurzer Berührung mit der Schleimhaut bereits Taubheitserscheinungen auslösen kann: der Blaue Eisenhut.
Schon die Einnahme von 2 Gramm können tödlich sein. Tiere wissen offensichtlich, dass sie diese Pflanze meiden müssen, ich wusste das nicht.
Die Tour endet an der Edelweiß-Alm, wo sich die Gruppe auflöst. Ich kann den schönen Ausblick noch nicht verdauen und muss ein bisschen bleiben.
Zum Amüsement der offensichtlichen Dauergäste fotografiere ich verdutzt eine auf dem Tisch sitzende Ziege.
„Da hams die Kinder aus de Stadt noch nie a Ziagn gsehn.“ Naja, eine Ziege kenne ich wohl, nur sitzen die in Berlin nicht auf Tischen herum, aber mei, mir san ja in Österreich…
Der Hunger wird – natürlich – mit Kaiserschmarrn gestillt.
Nach ein paar Gläsern selbstgemachter Limonade mache ich mich auf den Rückweg.
Wenige Minuten später überholt mich ein Auto, hält an und der freundliche Mann, der über mich auf der Alm gewitzelt hatte lächelt mich an. Er hat offensichtlich Lust zu plaudern. Das lasse ich mir nicht entgehen, Ureinwohnern bin ich schon immer aufgeschlossen gegenüber. Sie erzählen die besten Geschichten.
Und dann traf ich einen Beatle
Die Geschichte des Ortes erzählt er mir, und dass das hier eigentlich einmal zwei Ortschaften waren, weshalb Obertauern lange zwei Bürgermeister gehabt habe. Zwei Bürgermeister? frage ich erstaunt, für einen winzigen Ort mit gerade einmal 280 Einwohnern?
„Naja genau“, sagt er, „hier ist ja der Pass, der die beiden Orte ursprünglich teilte“.
Ich nicke möglichst intelligent, während ich versuche, hier irgendeinen Pass zu erkennen. Ich muss mich ja nicht gleich als Deppentouristin outen. Jemand, der hier lebt, kann sich vermutlich nicht vorstellen, dass ich nicht einmal einen Pass erkenne, wenn ich auf ihm stehe.
Als er weitererzählt, dämmert es mir langsam: Ich habe hier den Besitzer der Edelweißalm vor mir. Herbert Lürzer ist der Ureinwohner Obertauerns, er hat den Ort geprägt wie kein anderer und nacheinander mehrere Hotels eröffnet, die mittlerweile seine drei Söhne führe. Er kümmert sich nur noch darum, dass alles „rund läuft“.
Ich darf einen Rundgang im Hotel Edelweiß mit ihm machen, das derzeit umgebaut und erneuert wird. Und auf einmal – stehe ich vor den Beatles!
Ja, der Film „Help“ sei hier vor 50 Jahren gedreht worden, erzählt er mir, und nun wird mir klar, warum da mitten auf der Bergwiese ein Klavier herumstand. Stolz zeigt mir Herbert Poster und Fotos an den Wänden und zeigt auf eines, wo er neben Paul McCartney steht: Er sei nämlich das Double gewesen, grinst er, die Jungs hätten alle keine Skierfahrung gehabt. Also hätten er und sein Freund den Beatles erst Skiunterricht gegeben und seien dann für den Film als Double den Berg heruntergerauscht.
Ich stehe also neben einem quasi echten Beatle! Dafür mache ich sogar eine Selfie-Ausnahme.
Wie die Beatles denn so gewesen seien, erkundige ich mich neugierig. „Ach, die haben ihre Mädchen mitgebracht“, erzählt er, „und abends immer gefeiert. Und die Mädels, das waren solche Hungerhaken, die sind für uns Gebirgsmenschen nix, wir brauchen was mit mehr Speck.“ Dabei grinst er mich an und ich merke, was so ein richtiger Österreichischer Charmeur ist.
Aber nett seien sie gewesen, und seitdem ist die Gemeinde sehr stolz auf diese Geschichte. Zum Abschluss darf ich Herbert noch neben der Statue im Ort fotografieren.
Als ich die Story begeistert auf Facebook teile, bekomme ich sofort eine Nachricht. Jaa, der Herbert, schwärmt gleich eine in den Kommentaren, der sei bei allen beliebt. Ein toller Arbeitgeber, sie hätte einige Male in der Saison für ihn gearbeitet.
Ein paar Tage später verlasse ich Obertauern und reise weiter in die Steiermark nach Schladming. Gearbeitet habe ich immer noch nicht.
TTT – TierischeTouriTipps
Reisezeit & Wetter:
Der Sommer beginnt in Obertauern im Juli und endet im September, ist also sehr kurz. Tatsächlich gibt es im Sommer häufiger Regenschauer, die sich netterweise auf den Abend beschränken, vormittags und tagsüber ist es meistens schön. Warme Jacke für die Höhen und den Abend nicht vergessen, wobei es bei mir eher sehr heiß war.
Hinkommen & Fortbewegen:
- Von Salzburg geht es bequem in einer Stunde mit der Bahn nach Obertauern.
- Vor Ort gibt es Busse, mit denen man sehr bequem von einem zum anderen Ort fahren kann. Auskunft über die Fahrtzeiten und Strecken liegen als Flyer in jedem Hotel oder auch bei der Touristeninformation. Kürzere Busstrecken kosten hier jeweils einen Euro.
- Bei Skiworld im Ort kann man sich taugliche Fahrräder (Mountainbikes) mieten.
Unterkommen:
Da sich nach meinem Auftritt neulich im Sat1-Frühstücksfernsehen eine Dame beschwerte, dass ich keine Tipps für günstigen Familienurlaub gebe, habe ich ein paar relativ günstige Buchungsmöglichkeiten herausgesucht. Mein Hotel war leider ein kleines Raucherhotel mit mäßigem Essen, was ich nicht weiterempfehlen möchte. Achtung also, in Österreich darf immer noch drinnen geraucht werden, besser nachfragen!
- Bei Booking habe ich das extrem hübsche Hotel Alpina* zum Knallerpreis für 670 Euro die Woche im Doppelzimmer inklusive Frühstück gefunden.
- Appartements für 4-6 Personen gibt es z.B. auf der Gnadenalm* ab 1000 Euro/Woche, von der ich vor Ort nur Gutes gehört habe.
Einkehren:
Die Dikt’n Alm und die Edelweißalm sind definitiv sehr empfehlenswert und begrüßen Gäste im Sommer auch ohne Reservierung.
Unternehmen:
- Eine der vielen Wanderstrecken laufen. Karte
- Eine Kräuterwanderung machen: Jeden Freitag um 10 Uhr, Treffpunkt vor dem Tourismusbüro.
- Eine der vielen Strecken mit dem Mountainbike ausprobieren.
- Bei einer Woche Aufenthalt und vielen Unternehmungen könnte sich die SalzburgerLand-Card eventuell lohnen, mit der viele Eintritte gratis sind.
- Weitere Tipps unter Obertauern.com.
Offenlegung: Danke an den Tourismus Obertauern, der meine Reise unterstützt hat.
*Partnerlink: Wenn Ihr über diesen Link bucht, bekomme ich etwas Provision, der Preis ist für Euch der gleiche.