Beim Roadtrip im Winter denken die meisten sicher gleich an Kanada oder Island, doch eigentlich muss man gar nicht so weit weg reisen: Finnlands Süden lockt mit herrlichen Schneelandschaften und 1001 Inseln im Schärenmeer gar nicht weit der Hauptstadt Helsinki.
Inhalt des Artikels
Tschüss Helsinki, hallo Roadtrip!
Ab in die Schären
Das Turku Archipel und der Archipelago Trail
Sauna mit Ausblick
Schlemmen in Nauvo
Roadtrippin‘
Stilles Land
Turku
TTT – TourischeTouriTipps
Tschüss Helsinki, hallo Roadtrip!
Zugegeben: Auch als Vielreisende stelle ich mich manchmal noch etwas blöd bei der Reiseplanung an, so zum Beispiel bei unserem Urlaub in Finnland. Zwei Wochen vor geplanter Anreise stellte ich nämlich fest, dass unsere zauberhaft hübsche, alte Villa mit Sauna und Kamin nicht auf dem Festland, sondern auf einer der vielen kleinen Inseln in den finnischen Schären steht. Ohgott. Da fährt im Winter doch bestimmt nur einmal die Woche eine Fähre!
Ein Blick ins Internet auf die Fahrpläne ließ mich dann leicht zweifeln: Kann das wirklich sein, dass dort, wo sich das südliche Finnland in tausende Inselchen aufteilt, alle halbe bis Stunde Fähren verkehren? Jeden Tag, den ganzen Winter über?
Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass ich über das Land mit den gerade einmal fünfeinhalb Millionen Einwohner:innen staunen sollte. Der Fakt, dass viele dieser Fähren elektrisch fahren und alle gratis sind, bringt jetzt bestimmt einige Menschen in Deutschland zum Weinen.
Ich liebe alle Arten von Bootsfahrten, vom Hausboot bis zum großen Schiff. Das Angebot, kostenlos in den Schären herumzuschippern, ließ uns schnell umdisponieren und machte aus unserem „Wir spannen mal eine ganze Woche im finnischen Winter in der Sauna aus“-Urlaub einen finnischen Roadtrip mit Tagestouren, bei herrlichem Wetter, klarer Luft, mit zauberhaft weißer Landschaft und strahlend blauem Himmel.
Ab in die Schären
Nach ein paar Tagen in der wunderschönen Hauptstadt Helsinki und einem tollen Ausflug mit der Fähre nach zur Suomenlinna, der alten Seefestung auf vorgelagerten Inseln, bei der wir durch Eisschollen fahren und das Eis knacken hören, holen wir unseren Mietwagen und düsen gen Westen über die E18.
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Entlang der Autobahn erstrecken sich die Felsen mit riesigen Stalaktiten aus Eis – Wahnsinn.
Kurz vor Turku, der ehemaligen Hauptstadt des „Großfürstentums Finnland“ – als Finnland noch unter russischer Herrschaft stand – biegen wir nach Süden, überqueren die erste Brücke und befinden uns nun auf dem schönen Turku Archipel, das aus insgesamt 20.000 kleinen Inseln und Inselchen besteht.
Das Turku Archipel und der Archipelago Trail
Die Straßen sind gut gepflegt, rechts und links liegt etwas weniger Schnee als erwartet, und nach kurzer Zeit kommen wir an der ersten Fährstation an. Dort haben wir genug Zeit, um die Fahrpläne zu studieren: Die Finnen haben hier auf dem Turku Archipel den „Archipelago Trail“ geschaffen, der im Sommer auch per Fahrrad erkundet werden kann und auf rund 200 Kilometern einmal im Rundkurs von Turku durch das Inselmeer führt. Bis auf eine Ausnahme: Im Winter fehlt leider an einer Stelle die Fährverbindung, der Trail ist daher nur im Sommer komplett.
Dafür gibt es zusätzliche Fährverbindungen nach Süden, zum Beispiel auf die kleine Insel Nötö. Wir könnten sogar rüber zu den Alandinseln fahren, das dauert dann jedoch eine Weile und ist nicht als Tagestour machbar.
Als die Fähre nach kurzer Zeit kommt, wartet außer uns nur noch ein anderes Auto, kein Wunder, denn hier auf den Inseln wohnt nur ein Bruchteil der ohnehin schon kleinen Bevölkerung Finnlands. Da wir uns allerdings nicht ganz sicher sind, ob unsere Mietwagenversicherung Fährfahrten abdeckt (viele tun das nicht!), checken wir vorsichtig dreimal, ob die Handbremse gezogen ist, bevor wir aussteigen und uns den Fahrtwind um die Nase wehen lassen.
Die Fahrt ist erstaunlich leise und so genießen wir den wunderschönen Anblick des tiefblauen Himmels und des mit vielen Eisschollen bedeckten Wassers.
Sauna mit Ausblick
Eigentlich hatte ich stilecht im Mökki wohnen wollen, in einem dieser typisch finnischen Sommerhäuschen. Rund 1,8 Millionen soll es davon geben, im Prinzip also etwa je eine pro Familie. Sie sind häufig sehr schlicht und mit Kamin bestückt, manchmal sogar ohne Strom. Back to nature eben.
Als ich allerdings auf einem Buchungsportal verschiedene Ferienhäuser checkte und dort eine wunderschöne alte Villa fand, konnte ich nicht widerstehen: Solche Villen sind für die Turku-Gegend nicht ungewöhnlich und stammen meist noch aus russischer oder schwedischer Zeit. Das alte Holzgebäude ist sehr urig eingerichtet: Holzbetten und Wandvertäfelung, Ofenheizung und süße Gardinen im finnischen Stil. Die alten Holztüren sind noch vorhanden.
Es ist eiskalt als wir ankommen und das Thermometer zeigt schlappe Minus 12 Grad. Der Vermieter hat nicht vorgeheizt und so dauert es, bis wir mit unseren Städter-Kenntnissen den leicht rußendem Kamin anbekommen.
Merke: Die Outdoorausrüstung inklusive Feueranzünder sind in Finnland immer sinnvoll, jedenfalls im Winter.
Nach zwei Stunden frieren entschließen wir uns zu schummeln und schmeißen die gottseidank vorhandenen Elektro-Heizungen an, mit denen wir wenigstens das Wohnzimmer und ein Schlafzimmer auf angenehme Temperaturen bekommen.
Wie praktisch, dass wir gleich in die warme Sauna hüpfen können, die in jedem finnischen Haus vorhanden ist, nicht umsonst sind die Finnen für ihre Saunakultur berühmt. Beim Anblick unserer Heizzelle entfahren mir quietschige Freudeschreie, denn unsere Sauna sieht aus wie ein Sommergarten mit Kastenfenstern und Blick durch die Bäume auf die Schären.
Schlemmen in Nauvo
Der kleine Ort Nauvo (deutsch: Nagu), in dem wir untergekommen sind, ist eindeutig ein Ferienort, wovon ein größerer Hafen, leere Campingplätze und Restaurants zeugen. Die Mischung aus Holzvillen und Schwedenhäuschen ist sehr zauberhaft. Im Winter haben natürlich die meisten Einrichtungen geschlossen, wir haben ohnehin geplant, selbst zu kochen, und decken uns im hiesigen Supermarkt ein.
Neben Brot, Nudeln, Kartoffeln und ein paar Gemüsesoßen landet ein großer Vorrat an Lakritze im Einkaufswagen. Die Finnen lieben Lakritze und in jedem Supermarkt gibt es eine beträchtliche Auswahl, und das kommt mir gerade Recht, auch wenn der Mann dabei eher das Gesicht verzieht.
Auch wichtig: einmal täglich ein Gebäckstück leisten. Für Gebäck sind die Finnen immer zu haben, die so genannte Fika, die Kaffeepause, hat hier genauso Konjunktur wie in Schweden. Die Finnen sind übrigens noch leidenschaftlichere Kaffeetrinker als die Deutschen, allerdings wird hier meist Filterkaffee bevorzugt.
Mein Favorit unter den Gebäckstücken nennt sich Voisilmäpulla, ein einfaches Hefegebäck mit Kardamom und Butteraugen. Auch die Zimtschnecken sind wie überall im Norden nicht zu verachten.
Einmal gehen wir in Nauvo auf Rat unseres Vermieters am Eckrestaurant essen und entscheiden uns für Burger mit Pommes Frites. Das ist erstaunlich bezahlbar und sehr lecker, netter Schwatz mit der Bedienung inklusive.
Wer Schwedisch kann, ist hier übrigens gut aufgehoben, denn auf dem Archipel leben viele Finnlandschweden und Schweden ist offizielle zweite Amtssprache.
Roadtrippin`
Unser Vermieter überlässt uns einen Zettel mit allen Fähren und Fahrtzeiten, täglich machen wir nun eine Tour über das Archipel.
Bei unseren Ausflügen kommen wir in Freizeitstress, denn zu Inseln jenseits des Archipelago Trails fahren die Fähren nicht jeden Tag. Den Trail wollen wir machen, so weit es eben geht. Schaffen wir es noch auf eine Nebeninsel? Turku wollen wir uns ansehen. Wann sollen wir Spazieren gehen? Immerhin ist es nur etwa acht Stunden am Tag hell.
Und überhaupt muss man ja auch noch übers Eis schlittern, in der Sauna sitzen und aufs Wasser starren. Viel zu wenig Zeit also.
Stilles Land
Trotz der gemäßigten Kälte von tagsüber etwa Minus Fünf Grad befinden wir uns im Winterwunderland, die Ostsee ist an den meisten Uferbereichen zugefroren.
Der Schnee liegt weniger als erwartet und ist an manchen Stellen schon weggeschmolzen, an anderen jedoch erneut gefroren, so dass wir beim Aussteigen aufpassen müssen, weil die Wege spiegelglatt sind. Die großen Straßen sind dafür überall geräumt und eisfrei, lediglich wenn wir uns auf kleinen Nebenstrecken herumtreiben, wird es manchmal etwas holprig und eisig.
Die Welt wirkt teils wie eingefroren und still.
Wir fahren Richtung Korppoo, Houtskär und bis Mossala, wo die Fähre nicht mehr fährt.
Auf dem Weg klappen die Fährfahrten wie am Schnürchen, wir vermuten, dass die Fährmänner auch einfach fahren, wenn jemand wartet. Lediglich einmal verpassen wir die Fähre genau und vertreiben uns die nächste Stunde mit einem Spaziergang in der Gegend.
Die Fähren haben unterschiedliche Größen. Elektrofähren fahren insbesondere dort, wo im Winter der Diesel einfrieren könnte. Das Schöne: Sie sind leise. Wir schauen ins tiefe Blau des Himmels und des Meeres, auf die wabernden Eisschollen und zugeschneite Ufer.
Bei einer Fährfahrt stoßen wir durch aberwitzig viele übereinander gestapelte Eisschollen vor. An anderer Stelle ist das Eis so dünn, dass es sich wie ein Film über das Wasser gelegt hat und bei dem Wellengang der Fähre hin- und herwabert. Es klirrt dabei in hohen Tönen – was für eine skurrile Kulisse.
Auf den größeren Fähren mit längerer Überfahrt machen wir es uns drinnen bequem und kaufen an der Snackbar Kaffee und Hefestück.
Doch immer wieder zieht es mich raus, auch wenn es kalt ist: Ich bekomme nicht genug von dem Blau rundherum und dem Knacken des Eises.
Wann immer wir aus dem Auto aussteigen und ein paar Schritte laufen, herrscht wunderbare Stille, bis auf ein paar singende Vögel. Am Ufer gluckst das Wasser unter dem Eis und wir schlittern auf der Ostsee herum wie zwei Kinder. Was mir etwas fehlt sind allerdings ein paar Wanderwege, meistens spazieren wir entlang der Straße. Mein Wunsch, einen der wilden Elche dieser Gegend zu Gesicht zu bekommen, geht leider nicht in Erfüllung.
Turku
Turku ist zugegebenermaßen nicht mit so vielen Sehenswürdigkeiten bestückt wie Helsinki und wir waren viel zu kurz vor Ort. Es gibt aber einige nette Cafés, einen beeindruckenden Dom und die alte, sehr charmante Burg aus dem 13. Jahrhundert.
Auf einer Brücke ertönt Musik und wir laufen am Wasser bis zum Hafen, während die Sonne untergeht und Gebäude und Schiffe in goldenes Licht taucht.
Während der blauen Stunde machen wir uns auf den Rückweg und sind froh, den Turku-Besuch nicht ans Ende unseres Urlaubs gelegt zu haben. So ist morgen auch noch ein Tag.
TTT – TierischeTouriTipps
Hinkommen:
Von Helsinki aus ist man in etwa drei Auto-Stunden in Nauvo (Nagu), es bietet sich daher natürlich an, auch 2-3 Tage in Helsinki zu bleiben.
Nach Turku fahren auch Züge, von dort gibt es Busse aufs Archipel, diese sind aber im Winter sehr rar. Ohne Auto dürfte es daher schwierig werden.
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Unterkommen:
In Helsinki bin ich sehr gut im großzügigen Appartement Hellsten Helsinki Parliament* untergekommen. Auf dem Archipel haben wir in der zauberhaften Archipelago Villa von circa 1900 genächtigt. Es gibt ziemlich viele Schlafgelegenheiten, so dass man dort problemlos mit acht Leuten unterkommen kann (übrigens eine ziemlich coole Idee für Silvester).
Für zwei bis vier Leute gibt es eine günstigere, kleinere Variante weiter unten am See. Das Haus ist schlichter, hat jedoch ebenfalls Sauna und einen eigenen Zugang zum See.
Aber auch auf Booking gibt es super romantische Mökkis, die erstaunlich bezahlbar sind. Schaut Euch mal diese Holzhütte auf Stormälö* an, ein bisschen näher an Turku.
Tipps zum Mietwagen:
Wir buchen immer beim Preisvergleichsportal Billiger-Mietwagen* und haben damit bisher stets gute Erfahrungen gemacht. Vollkasko und Winterspikes, hier kann man alle Wünsche angeben. Aber Achtung: Nicht alle Mietwagen sind auf den Fähren versichert, deshalb unbedingt vorher die Mietwagenbestimmungen checken!
In Helsinki besser keinen Mietwagen buchen. Die Parkgebühren sind horrend, und man benötigt in der Stadt wirklich kein Auto. Für den Roadtrip also besser den Mietwagen erst holen, wenn es logeht.
Unbedingt Geschwindigkeitsgrenzen beachten! In allen nordischen Ländern drohen bei bereits 1 km/h Überschreitung empfindliche Strafen.
Sonstige Reisetipps:
Im Winter sind Spikes immer eine gute Idee, weil es teils spiegelglatt ist. Die Highheels dürft Ihr zuhause lassen, so etwas trägt hier aus praktikablen Gründen kein Mensch, nicht mal in Helsinki.
Für den Winter-Roadtrip in Finnland gibt es im Süden mittlerweile keine Schneegarantie mehr, was ich mit ziemlichem Schrecken auch gerade live bei Reise-Liebe lesen konnte. Sie hat Silvester auf dem Archipel verbracht und kein Fitzelchen Schnee gesehen, dafür sprießende Weidenkätzchen. Das ist hoffentlich eine Ausnahme, aber der Klimawandel dürfte uns viele solcher weiterer Ausnahmen bescheren. Wer auf jeden Fall Schnee sehen will, sollte daher weiter im Norden den Urlaub planen, zum Beispiel in Lappland (genau das haben wir schönerweise im Februar vor). Dennoch: Es kann empfindlich kalt werden und Ihr solltet für den Fall einer Panne warme Sachen und eventuell sogar das Notfallpaket mit Wärmedecke dabei haben.
Der Archipelago Trail ist garantiert im Sommer ebenso sehenswert, meiner Ansicht nach ist er jedoch nicht als Wanderweg geeignet, weil es nicht durchgängig Fuß- bzw. Radwege gibt und sich die Wege doch gut in die Länge ziehen können.
Einen sehr interessanten Bericht über den Trail im bunten, schönen Herbst hat Oliver vom Weltreiseforum geschrieben, mit vielen spannenden Informationen und Stops rund um den Trail.
Ein Flug nach Helsinki und Retour von Berlin aus emittiert 560 kg CO2. Eine Alternative sind Bahn und Fähre. Hinzu kommt natürlich die Klima-Belastung durch den Roadtrip. Kompensieren kann man das klimaschädliche Treibhausgas zum Beispiel bei Atmosfair oder anderen lokalen, CO2-bindenden Projekten wie Moorfutures.
Seit 15 Jahren ist Inka Redakteurin, Reisebloggerin und Autorin in Berlin und Brandenburg. Sie hat mehrere Reiseführer über die Region geschrieben und veröffentlicht ihre Tipps und Geschichten im Spiegel, Tagesspiegel und verschiedenen Magazinen. Außerdem Möchtegernentdeckerin, Liebhaberin der polaren Gebiete unserer Erde und abschweifend in der Welt. Hier Chefin vom Dienst.
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