Im Winter kann man keine guten Fotos machen, weil das Wetter oll und nicht genügend Licht vorhanden ist? Und sowieso sieht alles so grau aus und Winterbilder langweilig? Ich bin da ganz anderer Meinung und möchte hier einmal einige Fotografie-Tipps zu geben, um Winterlandschaften zu fotografieren.
Außerdem, glaubt mir: Durch verschneite Natur zu stapfen ist die allerbeste Art, endlich über die Winterhasserei hinwegzukommen, denn ja – aber psssst – auch ich war mal eine Winterhasserin.
Mein Ziel ist, dass Ihr nach dem Lesen dieses Artikels total Lust bekommt, mit Eurer Kamera rauszugehen, obwohl es schneidend kalt ist. Lasst mich wissen, ob es geklappt hat.
Inhalt des Artikels
1. Schöneres Licht im Winter nutzen
2. Grautöne und geringere Kontraste für stimmungsvolle Fotos nutzen
4. Wasser und Spiegelungen in Szene setzen
8. Mit Offenblende fotografieren (und die Schönheit der Kontrastarmut entdecken)
9. Minimalistische Fotos machen
10. Symmetrie bei der Bildgestaltung nutzen
12. Belichtungskorrektur und Histogramm verwenden
13. Tipps für Fotografieren in der Kälte
Meine Kamera Emma liebt Schneebilder. Und: Warm macht glücklich.
Im Winter, besonders im Dezember und Januar, gibt es entgegen der landläufigen Meinung viele sonnige Tage, sogar häufig mehr als im mitteldeutschen verregneten Sommer. Also rein in die warme Jacke und ab nach draußen, das ist für mich das beste Mittel gegen Frieren, Dunkelheit in der Bude, schlechte Laune und Winterdepression.
Während ich im Sommer meine Kamera auch mal zu Hause liegen lasse, ist sie immer dabei, wenn Schnee gefallen ist – es könnte sich ja ein großartiges Motiv ergeben, und die gibt es meiner Ansicht nach im Winter viel häufiger als im Sommer. Schnee macht Landschaften ungewöhnlich.
1. Schöneres Licht im Winter nutzen
Ja, drinnen wird es im Winter schwierig mit der Beleuchtung. Aber draußen gibt es immer noch genügend Licht, oder noch besser: das Licht ist sogar Mittags zu gebrauchen, weil die Sonne nicht so hoch steht und dadurch weicheres Licht entsteht. Während im Sommer die schönen Fotos am frühen Morgen (gäääähn) und Abend entstehen, funktioniert das im Winter sogar mehrere Stunden lang.
Besonders schön: Ein Sonnenuntergang im Winter.
Bonus: Anschließend ist immer noch genügend Zeit, die Fotos zu bearbeiten, weil der Tag noch lange nicht vorbei ist und ich bekomme immer noch genügend Winterschlaf.
2. Grautöne und geringere Kontraste für stimmungsvolle Fotos nutzen
Wenn Schnee liegt und die Welt weiß ist und an den Bäumen kein Blättchen mehr vorhanden, ist die Welt natürlich weniger bunt. Grautöne können aber hervorragende, stimmungsvolle Fotos ergeben, ich persönlich finde sie sehr erholsam. Die geringeren Kontraste gilt es auszunutzen: Anstatt mal wieder wie üblich an der Sättigung zu drehen, lass den Schalter da, wo er ist und drehe zudem noch den Kontrast runter. Das Ergebnis sind Winterlandschaften mit melancholischen Stimmungen und feine Details.
Und ich sage es noch einmal: Schnee macht die Landschaft ungewöhnlich. Während wir im Sommer die üblichen Wege, die wir gehen, kaum mehr eines Blickes würdigen, gucken wir uns unsere Umgebung wieder neu an, wenn Schnee gefallen ist. Das geht mir jedenfalls so.
3. Details betonen
Sind keine feinen Details vorhanden, suche nach ihnen. Bei einer weißen Schneelandschaft können Einzelheiten wunderbar betont werden, z.B. ein Schlitten oder eine bunte Mütze.
4. Wasser und Spiegelungen in Szene setzen
Da muss ich wohl nicht mehr viel zu sagen: Wasser und Spiegelungen gehen immer, helle Sachen wie Eis spiegeln sich natürich besonders toll, aber auch Bäume sehen super schön aus.
5. In RAW fotografieren
Das Fotografieren in RAW statt in jpg ist jetzt noch sinnvoller als ohnehin schon, weil man damit hinterher beim Fotos bearbeiten den Weißabgleich viel besser korrigieren kann. Dazu eignet sich dann ein RAW-Konvertierer wie Adobe Lightroom*. Mache nicht den Fehler zu denken, dass in Winterlandschaften wenig Farben vorherrschen und der Weißabgleich dann ja egal ist – das Gegenteil ist der Fall! Bei weichem und weniger vorhandenen Licht mit Weiß- und Grautönen ist ein Weißabgleich umso wichtiger, der nur vernünftig mit RAW funktioniert. Schnee kann sepiaweiß sein oder blauweiß, es gibt hunderte verschiedene Grautöne, die es fein abzustimmen gilt.
6. Eiskristalle!
Bei Schnee lässt sich – neben der schönen Landschaften – eines meiner Lieblingsmotive fotografieren: Eiskristalle! Manchmal in Form von Schneeflocken:
Für so eine Aufnahme ist übrigens nicht einmal eine DSLR notwendig, eher im Gegenteil: Während Du bei einer DSLR ein teures Macro-Objektiv brauchst, ist bei der „Billiglinse“ einer Bridge-Kamera häufig eine Makro-Funktion eingebaut. Dieses Bild habe ich vor vielen Jahren mit einer günstigen Bridge-Kamera gemacht. Es hat zwar keine Mikroskopqualität, bezaubernd ist es dennoch, finde ich.
Manchmal gibt es Eiskristalle sogar in der Wohnung. Dafür muss man allerdings das Glück haben, in einer ollen zugigen Bude in Berlin zu wohnen:
7. Relationen verdeutlichen
Achte bei zu vielen, großen Schneemassen auf ein Motiv, das die Umwelt in Relation setzt, am Besten im Vordergrund. In anderen Jahreszeiten können wir die Größe besser einschätzen, weil meist ein Baum oder Strauch in der Nähe ist, im Winter entfällt das häufig. Spiele auch mal mit den Größenverhältnissen.
8. Mit Offenblende fotografieren (und die Schönheit der Kontrastarmut entdecken)
Hä? Was für’n dämlicher Tipp denkst Du? Ja, kann man so sehen, denn natürlich ist Offenblende sowieso immer die normale Vorgehensweise, um ein Objekt zu betonen und freizustellen (Offenblende = je größer die Blende – also je kleiner die Blendenzahl – umso weniger Schärfentiefe. Der Hintergrund wird unscharf.).
Was ich damit meine ist: Mach die Schwäche des Winters „kontrastarm“ zur Stärke und betone sie, statt auf Teufel komm raus alles kontrastreich gestalten zu wollen. Wenn der Hintergrund verschwimmt, wirkt das umso mehr.
Positiver Nebeneffekt: Durch die Offenblende kannst Du das vorhandene Licht besser nutzen und bei Portraits entsteht ein hübsches Bokeh.
9. Minimalistische Fotos machen
Ich liebe Minimalismus, aber habe das Thema gerade erst für mich entdeckt. Das kann ein Baum auf einer riesigen weiten Schneelandschaft sein. Eine einzelne Eisscholle auf einer Wasserfläche. Linien im gefrorenen Eis. Nutze wiederkehrende Muster.
Es gibt so viele Möglichkeiten, bei denen Minimalismus so ruhig und so stark im Bild rüberkommen kann.
10. Symmetrie bei der Bildgestaltung nutzen
Viele Menschen lieben symmetrische Fotos. Wenn Du einen Winterwald fotografierst, setz den Weg in die Mitte des Bildes (s.o.), oder den Eisberg, der sich auf dem Wasser spiegelt. Natürlich kann es ebenso spannend sein, Symmetrie ganz bewusst zu brechen.
11. Zieh ’ne rote Jacke an
Oder einen pinken Rucksack. Oder eine orangene Mütze. Das macht nicht nur gute Laune sondern sich im Bild auch weitaus besser als das kleine Schwarze (siehe auch Punkt 3).
12. Belichtungskorrektur und Histogramm verwenden
Mach Dich mit dem Histogramm vertraut, das Dir die Belichtung Deines eben geschossenen Fotos anzeigt. Auf dem kleinen Display verschätzt man sich sonst doch allzu oft, außerdem gibt es häufig die Helligkeit nicht gut wieder und zeigt das Bild zu dunkel oder zu hell an (die Stufen der Displayhelligkeit sind meist zu grob für die korrekte Darstellung).
Das Histogramm abzulesen ist kinderleicht: Das Raster hat fünf Bereiche (siehe Bild). Ist die Verteilung (die weiße Kurve) im rechten Bereich des Histogramms oder sogar abgeschnitten, ist das Foto sehr hell bzw. überbelichtet. Geht die Verteilung über den linken Rand hinaus, gibt es viele Schwarzbereiche ohne Information – das Foto ist zu dunkel. Die Verteilung, wie sie hier angezeigt wird, ist ok. Dass man das Bild nach eigenem Gusto evtl. gerne etwas heller oder dunkler hätte, kann natürlich dennoch sein. Nach einer Weile lernst Du, das Histogramm für Deinen Geschmack zu lesen.
Vermutlich wirst Du Dich ohne Belichtungskorrektur bei viel Schnee wundern, warum die Fotos so dunkel dargestellt werden (gleiches ist übrigens der Fall am hellen Sandstrand und viel Sonnenschein). Der Grund ist, dass die Kamera sich einen durchschnittlichen Grauwert „denkt“. Ist viel Helles im Bild, vermutet der Belichtungsmesser eine Überbelichtung und regelt sozusagen runter. Ergebnis: Das Bild wird grau und zu dunkel. Das bedeutet, Ihr müsst Eurer Kamera sagen, dass sie heller belichten soll, und genau dafür ist die Belichtungskorrektur gut.
Die Belichtungskorrektur regelt Ihr bei einer Canon 600D zum Beispiel mit dem im Bild angezeigten Knöpfchen und dem Drehrad vorne an der Kamera. Das angezeigte Bild wurde mit einer Korrektur von +1/3 aufgenommen.
Merke: Wenn die Umgebung sehr hell ist, Belichtungskorrektur auf „heller“ stellen. Das klingt im ersten Moment seltsam, deshalb lies Dir noch einmal die Erklärung oben durch, damit Du diesen Punkt verinnerlichst. Andernfalls musst Du alle Fotos zu Hause nachbearbeiten.
Merke außerdem: Wir lieben weißen Schnee, keinen grauen! Korrigier das Bild (hinterher) lieber auf etwas zu hell als zu dunkel. Eisberge bei strahlendem Sonnenlicht sind grell, das darf – und sollte – auf Deinem Foto auch so rüberkommen.
13. Tipps zum Fotografieren in der Kälte
- Mehr Akkus einplanen und die Akkus in der warmen Jackentasche haben. So hält die Akkuleistung länger. Tipps zu günstigen Alternativen der Originalakkus findest Du in meinen Tipps zur Fotoausrüstung.
- Ein Tuch mitnehmen und ggf. über die Kamera legen, z.B. wenn Du die Kamera für ein Timelapse länger draußen stehen lässt. Es gibt sogar Wärmejacken*, die Kondensat verhindern sollen (und das nach den Bewertungen angeblich auch schaffen).
- Die Kamera möglichst langsam an kalte / warme Temperatur gewöhnen, z.B. die Kamera erst einmal im Rucksack lassen, sowohl beim Raus- wie auch beim Reingehen.
- Möglichst nicht die Linsen draußen wechseln und auch nicht wechseln kurz nach dem Reingehen, um Kondensat wegen der Temperaturunterschiede zu vermeiden.
- Handschuhe werden meiner Ansicht häufig überschätzt. Handschuhe braucht, wer tatsächlich längere Fotosessions bei Minusgraden machen möchte, sonst reicht es, die Hände ab und an in die Taschen zu stecken. Für die Arktis habe ich mir allerdings neulich extra Windstopper Handschuhe* besorgt, die sehr gut warm halten und die diese Fingerbeschichtungen haben, damit ich Kamera und Display bedienen kann.
Natürlich sind viele dieser Tipps nicht nur im Winter oder in Schneelandschaften einsetzbar sondern allgemein in kontrastarmen oder weite Gegenden, z.B. in Wüsten oder im Gebirge.
Hast Du weitere Tipps oder bist anderer Meinung? Dann her damit.
Weiterlesen: Marc von Reisezoom hat ebenfalls Tipps zum Fotografieren im Winter: |
* Partnerlink: Wenn Du über diesen Link bestellst, bekomme ich ein bisschen Provision, der Preis ist für Dich der Gleiche. Wenn Du nicht willst, dass Amazon weiß, auf welchen Seiten Du Dich herumtreibst, solltest Du diesen Link nicht verwenden.