Ich sollte anfangen, mir tagsüber Notizen zu machen. So vieles geht mir durch den Kopf, aber sobald es dunkel geworden ist, scheinen sich meine Gedanken in die Nacht zu flüchten. Ich freue mich auf den Sommer, in der leisen Hoffnung, dass ich bei längerem Tageslicht mehr gebacken bekomme.

Patchworking

Die zweite Woche Homeoffice ist geschafft. Arbeitsmäßig war heute mal wieder nach drei Stunden Schluss, die Minusstunden arbeite ich am Wochenende nach. Hoffentlich…

Zeit fürs Hochbeet, das seit zwei Jahren in Einzelteilen im Garten liegt und für das jetzt wohl die beste Zeit ist. Als die Tackerklammern für das Wühlmausgitter alle waren, ging’s ans Häckseln und Unkraut jäten. Drei Kinder waren da und halfen, und mal wieder der Diskussion, wo Familie anfängt und wo sie aufhört, sprich, wer hier eigentlich wann kommen darf und soll, was bei unserem Patchwork einigermaßen schwierig ist. Wenn zwei der Brüder des Großen nicht einmal miteinander verwandt sind, sind sie dann noch Familie? Ich bin natürlich nicht die einzige, die sich das fragt.
Geschlossene Cluster zu bilden ist also schwierig und Gartenarbeit war eine Idee, wie wir miteinander etwas tun und dennoch derweil Abstand halten können.

Kein leeres Berlin + #Maskeauf

Was ich in den letzten beiden Corona-Tagebüchern nicht erwähnt habe, weil ich entweder zu müde oder zu betrunken war: Am Mittwoch Mittag bin ich nach Berlin reingefahren, oder eigentlich sogar einmal quer durch, umsteigen in Zehlendorf in die S-Bahn, Rathaus Steglitz in die U-Bahn, durch bis Moabit.
Eigentlich hatte ich gedacht, ich könne coole Fotos von auto- und menschenleeren Straßen machen, aber nö, das war irgendwie überhaupt nicht so. Während im Süden alle brav viel Abstand halten, wenig auf den Straßen los ist und ich mehrere Polizeiautos gesehen habe, läuft in Moabit eher Buisiness as usual. Dass keine Spielplätze geschlossen sind und die eng zusammensitzenden üblichen Leute nicht auseinander getrieben werden, kann allerdings auch daran liegen, dass es hier recht viele Obdachlose gibt, die man ohnehin nirgendwo hinschicken kann. Wieso so viele Menschen auf der Turmstraße unterwegs sind, ist mir aber nicht klar.

Ich habe brav meine Maske getragen, die ich mir schon im Februar gekauft hatte, und wurde nicht ein einziges Mal blöde angeschaut deshalb, wie erleichternd. Mittlerweile sieht man sie immer häufiger, was ich gut finde, auch wenn ich natürlich kein Fan davon bin, keine Gesichter mehr zu sehen, und unangenehm wird’s nach einer Stunde auch noch, weil heiß, stickig, feucht.

Ideen vom Morgen

Ich glaube, ich hab’s vergessen zu posten, der Vollständigkeit halber muss dieser Artikel über den Hammer & Tanz erwähnt werden, der es nicht nur durch alle Medien, sondern bis zur Krisensitzung der Bundesregierung geschafft hat.

Ich habe ein klein wenig Bauchschmerzen mit diesem Artikel, weil er m. E. suggeriert, dass man mit nur genügend Maßnahmen das Virus eindämmen und dann mit einer kontrollierten Anzahl an Neuinfektionen in ein paar Monaten in den Griff bekommen könne.
Mir ist nicht klar, worauf das fußen soll. Es ist doch eigentlich eine bestechend einfache Logik:
Herdenimmunität bei ca. 57 Millionen Menschen und einer Höchstkapazität von einigen tausend Intensivbetten bedeutet, dass man die Infektionen über Jahre hinauszögern muss. Das Einzige, was uns vorher bewahren kann, ist eine Impfung oder auch Behandlungsmöglichkeiten.
Als positives Beispiel werden im Artikel China und Südkorea gebracht, die beide die Neuinfektionen drastisch senken konnten. Bei China verweise ich mal an die Reporter ohne Grenzen, die derzeit klar aufzeigen, dass China bereits im Dezember anfing, Nachrichten über Corona zu zensieren, außerdem sind mehrere Berichterstatter „verschwunden“. Angaben aus China sollte man also vielleicht besser nicht für irgendwelche Thesen heranziehen.
Den Fall Südkorea hat Drosten vor einigen Tagen im NDR-Podcast aufgegriffen. Südkorea hatte einen so genannten Superspreader, in diesem Fall keinen Menschen, sondern ein Ereignis. Da sich viele Menschen bei diesem Fest angesteckt haben, wurde mobil gemacht und konsequent diese Menschen mitsamt Kontaktpersonen in Quarantäne gesteckt.
Das hat natürlich jetzt erst einmal super funktioniert. Aber jetzt?
Auch in Südkorea müssen sich nunmal 70% anstecken, um die Herdenimmunität zu erreichen, und da stehen sie dann vor genau dem gleichen Problem. Entweder das Leben drastisch einschränken oder alles geht von vorne los und das Gesundheitssystem ist bald überlastet. Vielleicht habe ich ja auch den Artikel nicht ganz erfasst, aber für mich klingt er, als wolle er eine einfache Lösung präsentieren, die es so gar nicht gibt.

Der Zustand von heute

Die USA hat es schlimm erwischt – und das ist leider keine Überraschung. Der Orange-Man, so beautiful, so perfect, hat ja die ganze Zeit erzählt, das Virus sei überhaupt kein Problem, unter anderem, weil sein Cousin ein studierter Arzt sei und er selbst deshalb so unfassbar viel wisse. Und überhaupt hätten sie „beautiful tests“.
(Ich kann so etwas nicht einmal aufschreiben, ohne vor Fremdscham rot zu werden.)
Die Ansteckungszahlen sind derweil nicht nur exponentiell, sie explodieren. New York sieht böse aus, jetzt bauen sie Leichenhallen. Ich traue mich gar nicht mehr, meine amerikanische Cousine anzuschreiben, wie es ihr geht.

Aber auch im nahen Europa jenseits vom schlimm gebeutelten Italien gibt es Schreckensmeldungen:
Patienten über 80 Jahre werden in Straßburg seit einer Woche schon nicht mehr beatmet – es gibt schlicht nicht genügend Ressourcen.

Trotz dieser Meldungen, oder vielleicht auch gerade deshalb: Heute war etwas anders als in den letzten Tagen. Die Meldungen werden ärger, krasser, mein Kopf jedoch scheint in gleicher Geschwindigkeit abzustumpfen. Ich schaue auch nicht mehr täglich auf die Zahlen, muss nicht mehr alle halbe Stunde den Kopf schütteln, um zu begreifen, dass das alles wirklich gerade passiert, und versuche sogar, mich abzulenken.
Das ist angenehm, denn ich habe den Eindruck, dass etwas angekommen ist in meinem Hirn und ich jetzt bereit bin, mich zu wappnen für das, was noch kommen wird.

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