Heutige Hörempfehlung: Bill Withers – Rest in Piece.
Ich habe heute ein Video auf Twitter gesehen, das war so schlimm, dass ich es hier nicht zeigen werde. Es gab mir eine Idee, welche Bilder ich zu vermutlich Tausenden in einem Jahr gesehen haben werde, und bei der Vorstellung wird mir total übel.
Die schlimmen Bilder der Zukunft
Ja, wir hier in Deutschland haben guten Grund anzunehmen, dass wir die Coronakrise einigermaßen überstehen. Dass wir Verluste zu betrauern haben, dass aber unser Gesundheitssystem nur „ab und an etwas überlastet“ sein wird. Wir bekommen es derzeit in den Griff, wie es scheint, und dann werden wir die on-off-Maßnahmentaktik der Ausgangsbeschränkungen praktizieren, bis ein Mittel gefunden ist.
Das ist aber nicht nur für Italien nicht der Fall. Die ohnehin gebeutelten Länder der Welt wird es schlimm treffen, sie werden viele, viele Tote zu beklagen haben, Menschen werden nichts zu Essen haben, vielleicht nichts zu trinken, es wird Aufstände geben, und das klingt jetzt so ultrablöd, wenn ich das schreibe, denn ich bin ja keine Prophetin.
Die Wahrheit aber ist, man braucht leider keine Prophetin zu sein. Das Virus wird höchstwahrscheinlich nicht zu stoppen sein (ich bete dennoch darum), denn in vielen Ländern können die Menschen nicht einfach Zuhause bleiben, weil sie dann schlicht verhungern würden. Es gibt keine soziale Absicherung, keine Gesundheitsversorgung, in ganz Mali zum Beispiel existieren 50 Beatmungsgeräte. 20 Millionen leben dort.
Das schreckliche Video fand ich über einen Artikel in der Washington Post über Equador, wo in Teilen des Landes die Behörden es offenbar nicht mehr schaffen, die Toten abzuholen. Auf Twitter fleht eine Equadorianerin vor dem Leichnam ihres Mannes, man möge ihn doch abholen und eine würdige Bestattung ermöglichen, so die Übersetzung der Post.
Drei Dinge kommen mir da in den Kopf, die ich allen sagen möchte:
- Vergesst über die eigenen Sorgen nicht die anderen (#Savemoria), seid bitte bereit zu teilen, auch über Brandenburg hinaus.
- Bereitet Euch seelisch darauf vor, schreckliche Bilder aus anderen, weitaus hilfloseren Ländern zu sehen. Der Ausdruck „Dritte Welt“ kommt mir seit Jahren das erste Mal wieder in den Kopf.
- Checkt den Medienkonsum Eurer Kinder! Ich bin keine Freundin davon, Kindern heile Welt vorzugaukeln. Aber es gibt Bilder, die man in jungem Alter schlecht verdauen kann, und es gibt ohnehin schon so viel zu verarbeiten. Redet mit Euren Kindern und nutzt notfalls die Kindersicherung Eurer FRITZ!Box, da könnt Ihr Blacklists oder sogar Whitelists von Webseiten erstellen.
The Not So Great USA
Alleine in New York sollen mittlerweile 100.000 Menschen erkrankt sein. 100.000! Ich habe diese Zahl irgendwo aufgeschnappt und bisher nicht verifizieren können.
Der Governeur von News York fleht auf Twitter um Hilfe. Mir fehlen hier die weiteren Worte.
Den Gouverneur von New York auf Twitter zu lesen ist gerade sehr bitter. https://t.co/T26ir3oL2c
— Johnny Haeusler (@spreeblick) April 3, 2020
Deutschland
Eine positive Nachricht für Deutschland: Die Reproduktionsrate, die so genannte R0-Rate, die angibt, wieviele weitere Menschen ein/e Erkrankte/r ansteckt, ist auf ca. 1 gesunken. Das Ziel ist, diese Zahl auf unter 1 zu drücken, weil es dann nur noch wenige Neuerkrankungen gibt, die hoffentlich nachverfolgt und isoliert werden können.
Genauer hat das heute mal wieder Drosten im NDR-Talk erklärt und das auch in Zusammenhang mit Masken und der Corona-App gebracht: Erste Untersuchungen geben Hinweise, dass die Ansteckung mit Covid-19 zur Hälfte dann stattfindet, wenn der Infizierte noch gar keine Symptome hat. Das würde naturgemäß bedeuten, dass die Corona-Pandemie nicht zum Stoppen gebracht werden kann. Das ist jetzt keine Überraschung.
Das bedeutet aber auch, dass man 1. mögliche Ansteckungen vermeiden muss, also mit Abstand halten und evtl. auch mit dem Tragen von Masken, und 2. Erkrankte und deren Kontaktpersonen möglichst schnell identifizieren muss. Mittels einer App, die Kontaktpersonen schnell und automatisch informiert, könnte das gut funktionieren.
Heute veröffentlicht: Einfache medizinische Gesichtsmasken reduzieren Abgabe von Coronavirus und Influenzavirus durch den infizierten Maskenträger. Weniger Virus in Tröpfchen und Aerosol. https://t.co/yYMBTjfMCs #maskeauf Übrigens: Stoffmasken kann man zur Reinigung auch bügeln.
— Christian Drosten (@c_drosten) April 3, 2020
Verschiedene Maßnahmen könnten also dazu führen, dass wieder einigermaßen normaler Alltag für viele Menschen stattfinden könnte, nur würden immer wieder Menschen in Quarantäne gehen müssen. Und ja, natürlich, Risikopatienten können leider auch nicht raus.
Der NDR Talk ist wie üblich interessanter und tiefgängiger, als ich das hier darstellen kann, daher empfehle ich ihn noch einmal.
Ein Schauer ist mir aber über den Rücken gelaufen, eine Frage, die ich mir in den letzten Tagen verstärkt gestellt habe, und die Drosten nebenbei beantwortete: Nein, man weiß immer noch nichts über die Immunität nach der Erkrankung, das wird sicher auch noch Wochen dauern. Was passiert, wenn sich herausstellt, dass man nur wenige Wochen immun wäre – da denkt man am besten überhaupt nicht drüber nach.
Berlin
RKI-Chef Wieler forderte heute für Berlin eine höhere Taktung der U-Bahnen und ich kann ihm da nur sehr dringend zustimmen.
Vorgestern, als ich wieder durch Berlin fuhr, war die Taktung 10 Minuten und die U-Bahn war, naja, ziemlich voll. Dass die BVG derzeit lediglich 30% des üblichen Verkehrsaufkommens transportieren muss, wage ich wirklich zu bezweifeln. Es ist jedenfalls extrem dämlich, die Taktung in solchen Zeiten herunterzufahren.
Und auch die Türen sind weder bei der S-Bahn noch der U-Bahn automatisch geöffnet worden. Unklar.
Waldgeflüster
Ich habe bisher im Coronatagebuch nur einmal das Wetter erwähnt – den seltsamen Schneefall neulich. Von diesem Zwischenfall ausgenommen haben wir herrliches Frühlingswetter, viel Sonne, zu wenig Regen, was ja mittlerweile normal ist. Unsere Flieder sind eingegangen, der Pfirsichbaum ist zusammengekracht, alles Nachboten der zwei zu trockenen Jahre, Klimakrise ole.
Wir gehen also fast jeden Tag bei bestem Sonnenschein spazieren, ein Stück Gesundheit und Normalität soll das bringen, tatsächlich bringt es vielleicht Struktur, doch dass wir jeden Mittag hier spazieren gehen können und allen anderen Spaziergänger:innen auf 1,50 Meter ausweichen, spricht dafür, dass dies alles andere als normal ist.
„Alleine im Wald“, meinte heute jemand in der Freitäglichen Zoom-Kneipe, „scheint alles wie sonst zu sein.“
Ja, die Bäume schlagen langsam aus, die Vögel zwitschern, und wenn ich mir einfach vorstelle, dass heute Sonntag ist, wirkt tatsächlich alles wie üblich. Das macht die Situation umso seltsamer.
Die dritte Woche im Homeoffice geht zu Ende und dennoch wirkt alles so skurril wie am ersten Tag.
Zahlen und Daten zu Covid-19:
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