Wenn die Morgensonne auf kalte Luft trifft, Tautropfen an den Spinnenweben die Hagebutten tausendfach widerspiegeln und das helle Licht auf nebelverhangene Gärten trifft, in denen die Apfelbäume schwer zu tragen haben – das ist meine Zeit.
Die schöne kleine Halbinsel Fischland-Darß-Zingst in der Ostsee in Mecklenburg-Vorpommern hat sich mittlerweile als „Geheimtipp“ herumgesprochen. Das Städtchen Zingst, in der Mitte vom Darß gelegen, wie die Halbinsel umgangssprachlich verkürzt genannt wird, ist zum Herbst mittlerweile sehr gut besucht und dennoch sehenswert. Und glaubt es oder nicht: Dieses Mal habe ich in Wieck und Born das Kirschblütental gefunden.
Inhalt des Artikels
Das Zingst’sche Unterkunfts-Dilemma
Stare statt Kraniche: Meine erste „Murmuration“
Das Zingst’sche Unterkunfts-Dilemma
Als wir viel zu spät am ersten Abend in der Dunkelheit an unserer Pension in Wieck am Darß eintrafen, ziemlich verfroren, denn wir waren mit dem neuen Motorrad gefahren und mit dem Gedanken „Wir sind zu alt für diesen Scheiß“, war mein erster Ausruf ein kleiner Freudenschrei angesichts der Unterkunft.
Fischland-Darß-Zingst ist naturisch wunderschön, stilistisch meistens jedoch – nunja – aus meiner Sicht eher fraglich. Den vorherrschenden Hotel-Einrichtungsgeschmack würde ich zaghaft als ostdeutsches Pendant zum Gelsenkirchner Barock ansiedeln. AirBnB ist häufig eine gute Alternative mit vielen sicherlich schönen Privatunterkünften für diejenigen, die länger als ein Wochenende bleiben (viele Unterkünfte sind erst ab drei Nächten buchbar) und sich das Frühstück selber zubereiten möchten. Ich möchte aber traditionellerweise für mein Ostsee-Wochenende die Vorzüge eines Hotels genießen. Eine Sauna wäre optimal, das passt zum Darß und gibt es übrigens auf dem tollen Zeltplatz in Prerow.
Dieses Mal habe ich also ewig einschlägige Buchungsportale durchsucht und war schon einigermaßen verzweifelt angesichts der nicht wirklich hübschen Angebote. Letztendlich ließ ich mich von den vielen guten Bewertungen für die Pension Achtern in Wieck* überzeugen.
Die Pension Achtern Wieck bietet nur Frühstück und keine Extravaganzen. Dafür wurde sie vor drei Jahren komplett renoviert und präsentiert sich heute in einem schönen und schlichten Stil.
Da ich kurz vor knapp gebucht habe, gab es die besseren Zimmer für den Knallerpreis von 190 Euro für zwei Personen und zwei Nächte inklusive Frühstück. Das ausgesprochen nette Personal verdient außerdem eine eigene Erwähnung.
Die Pension liegt nicht am Wasser, der Bodden liegt circa einen Kilometer weit entfernt. Allerdings hat die Pension zwei enorme Vorteile: Sie ist in der Nähe vom vermutlich inselbesten Restaurant „Kum Rin“ mit weltbester Speisekarte, und sie liegt eben: in Wieck. Dass ich mehrere Jahre gebraucht habe, um endlich einmal Wieck und auch den kleineren Ort Born nebenan kennenzulernen, ist eine echte Schande.
Wieck und Born am Darß
Erinnert Ihr Euch an das „Kirschblütental“ aus Die Brüder Löwenherz? An die beiden Brüder, die nach ihrem Tod nach Nangiala kommen und dort im Kirschblütental wohnen? Während mich der Norden Brandenburgs eher an Bullerbü erinnert, habe ich auf dem Darß mit den vielen reetgedeckten Häusern, weißgetünchten Wänden, verzierten Haustüren und vielen Blumen das wunderschöne Tal aus der berühmten Verfilmung vom Buch Astrid Lindgrens gefunden – auch wenn es hier mehr Apfel- als Kirschbäume gibt.
Die meisten meiner letzten Ostsee-Urlaube verbrachte ich auf der östlichen Hälfte der Halbinsel Zingst, was schön, jedoch mittlerweile sehr touristisch ist und nicht mehr sehr viele alte Häuser beheimatet. In Wieck und besonders im noch viel kleineren Ort Born gibt es dagegen immer noch viele der alten reetgedeckten Wohnhäuser mit den verzierten Haustüren, den „Darßer Türen“, von denen viele sogar unter Denkmalschutz stehen.
Darßer Türen
Die Haustüren alter Fischer- und Kapitänshäuser wurden früher nicht nur aus Statusgründen verziert, man benutzte auch viele Symbole, die z.B. den Wohlstand erhalten oder Böses fernhalten sollten. Der häufig vorhandene Anker zeigt die Verbundenheit mit der Seefahrt.
Heute gibt es immer noch eine alte Tischlerei, die alte Haustüren renoviert und auch neue nach alter Tradition herstellt – das Geschäft soll boomen, habe ich gehört, denn gerne wird sich heute in der schnelllebigen Zeit wieder auf alte Traditionen besonnen.
Es lohnt sich, noch vor dem Frühstück eine Runde durch den Ort zu laufen und die Häuser mit ihren Reet-Dächern, dem Fachwerk und den Darßer Türen im wunderschönen Morgen-Herbstlicht anzuschauen. Ich jedenfalls hätte dort sofort hinziehen wollen.
Stare statt Kraniche: Meine erste „Murmuration“
Zu den Kranichen sind wir dieses Mal nicht direkt gelaufen sondern haben eine kleine Bootstour gemacht. Die sollte uns zwar auch zu den Kranichen bringen, war aber diesbezüglich ein ziemlicher Reinfall (siehe TierischeTouriTipps). Die Bootstour selbst war aber toll, denn alleine der Bodden im Sonnenuntergang lohnt sich.
Dafür habe ich allerdings meine allererste „Murmuration“ live gesehen: Das Spektakel, wenn sich hunderte bis tausende Stare zusammen zu einer „schwarzen Wolke“ zusammentun, um sich gegen einen Raubvogel zu wehren. Die Wolke „tanzt“ dann am Himmel. Ich war leider mit meinem Equipment ein wenig überfordert und habe kein tolles Foto davon.
Irre finde ich aber, dass ich das vor wenigen Wochen auf meine Bucket-List geschrieben habe: Einmal eine Murmuration live sehen. Ein wunderschönes Video davon gibt es übrigens hier:
Der Darßer Ort
Der Darßer Ort ist der Nordwest-Zipfel des Darß, beherbergt einen schönen Leuchtturm, tolle Wanderwege und einen wunderbaren Küstenwald. Davon abgesehen, dass der Darßer Ort bei einem Besuch auf dem Darß nicht ausgelassen werden sollte, ist er gerade im Herbst eine ausgiebige Wanderung wert, denn: es herrscht Hirschbrunft! Die zwei Rudel, die sich hier inmitten der salzigen Wiesen niedergelassen haben, röhren um die Wette (wer einmal versucht hat, in der Nähe zu zelten weiß, wovon ich spreche).
Der Anblick der Hirsche, die sich teils im Meer aufzuhalten scheinen, weil sie auf den bewachsenen Sandbänken herumlaufen, ist skurril und sehr besonders.
TTT – TierischeTouriTipps
Unternehmen
- Unbedingt Spaziergänge durch Wieck und Born machen, am besten am frühen Morgen, denn da ist das Licht am schönsten.
- Einmal zum Leuchtturm am Darßer Ort ganz im Norden der Insel wandern. Der Wanderweg ist kurzweilig und wunderschön und mit Glück kann man eines der zwei dort in den Salzgraswiesen lebenden Hirschrudel beobachten und lautstark mitröhren.
- Immer im Herbst findet in Wieck das Darßer Naturfilmfestival statt. Wir wurden völlig davon überrascht und hatten leider keine Zeit, das Programm klang jedoch großartig.
- Das Nationalparkzentrum Darßer Arche ist gleichzeitig Tourismusinformation, Ausstellungsfläche und Künstlerfreiraum und bietet viele Veranstaltungen an.
- Das Darß-Museum in Prerow erzählt rund um den Darß über Geologie, Biologie und Geschichte und klärt auch über die Darßer Türen auf. Außerdem finden regelmäßig Workshops zu verschiedenen Themen statt, ob Pilze sammeln oder Bootsbau.
- Dringender Tipp zu Kranichtouren: Für eine Kranich-Boots-Tour bitte auf jeden Fall nach Zingst fahren und keinesfalls die Bootstour von Prerow aus machen! Man hat zwar eine wunderschöne Bootstour, Kraniche sieht man dort aber eher nicht, denn die Bootstour geht durch den Prerower Strom lediglich bis zur Meiningen Brücke. Die Kraniche befinden sich aber östlich der Meiningen Brücke und man kann nur mit viel Glück einige Kraniche weit über den Köpfen zu ihren Schlafplätzen fliegen sehen. Die – wenn auch schöne – Bootstour als „Kranich-Tour“ zu verkaufen ist daher ein echter Hoax.
Noch mehr Tipps für den Darß? Mehr Informationen über Kraniche und den Darss gibt es außerdem in meinem Artikel Wo die Kraniche ziehen: Fischland-Darß-Zingst an der Ostsee. |
Unterkommen
- Pension Achtern Wieck*. Sehr schöne Einrichtung, gediegen, entgegen einiger Kommentare auf Buchungsportalen fanden wir es ruhig. Frühstück sehr lecker, für Veganer eher spartanisch. Gut funktionierendes, kostenloses WLAN. Sehr nettes Personal. Top-Preis-Leistungsverhältnis. Kein Abendessen möglich.
- Das bereits erwähnte Kum Rin Restaurant bietet auch Ferienhäuser und Zimmer. Vermutlich rustikaler als die Pension Achtern Wieck und nicht so schön, dafür nahe am Hafen.
- Haus 54 in Zingst*. Unromantischer Jugendherbergsstil, dafür günstig inkl. Frühstück und zentral zu Kranichtouren gelegen.
- Zelten! Zum Beispiel in Prerow mitten in den Dünen oder auf dem Naturcampingplatz in Pruchten. Auch der Campingplatz in Born soll sehr schön sein. Bitte keinesfalls mit einem Zelt auf dem Campingplatz Düne 6 in Zingst einquartieren! Der ist für Campingwagen und bietet Komfort, hat aber nichts mit dem Charme eines richtigen Zeltplatzes zu tun.
Essen
- Un-un-unbedingt im Kum Rin in Wieck essen gehen! Das Restaurant bietet örtliche bzw. mecklenburgische Küche vom Feinsten, wir haben schon lange nicht mehr so geschlemmt. Das lokal schon berühmte Duroc-Schwein ist vom persönlich bekannten Bauern, der Fisch soll exzellent zubereitet sein. Die Atmosphäre ist passend rustikal.
- Bei einem der vielen Hofläden und Hofcafés einkehren oder wenigstens auf der Rückfahrt die Speisekammer auffüllen.
- Wie üblich gibt es meinen absolutnonplusultra Kuchen-Tipp: Das Café Cako am Hafen in Zingst. Riesige Tortenstücke versüßen einem hier für Dreifuffzich den Tag (auch wenn der Mann dabei lästert, dass wir jetzt alt sind, weil wir jedes Jahr im gleichen Café zwischen den gleichen Rentern sitzen…).
Die Fotos sind übrigens alle mit meiner hübschen, kleinen Immer-Dabei-Kamera entstanden, einer Olympus OM-D E-M10*. Diese gibt es in zweiter Version gerade zum Knallerpreis mit Kit-Objektiven für 599 Euro. Mehr Informationen über meine Fotoausrüstung findest Du in meinem Artikel über Reisefotografie: Tipps und Ausrüstung.
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Seit 15 Jahren ist Inka Redakteurin, Reisebloggerin und Autorin in Berlin und Brandenburg. Sie hat mehrere Reiseführer über die Region geschrieben und veröffentlicht ihre Tipps und Geschichten im Spiegel, Tagesspiegel und verschiedenen Magazinen. Außerdem Möchtegernentdeckerin, Liebhaberin der polaren Gebiete unserer Erde und abschweifend in der Welt. Hier Chefin vom Dienst.
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