Schon lange wollte ich von Punta Arenas berichten, der Stadt in Patagonien, die sich rühmt, das Tor nach Tierra del Fuego, Feuerland zu sein, aber genau genommen fängt Feuerland erst an, wenn man über die Magellanstraße übergesetzt und das Südamerikanische Festland verlassen hat.
Punta Arenas kümmert das wenig und vershoppt unzählige coolster „Tierra del Fuego“-Souveniers in seinen Touristenläden.

In allen Reiseführern las ich, dass Punta Arenas mit 2-3 Tagen Aufenthalt zur Genüge gehuldigt wäre, denn es gäbe wenig uninteressantere Städte in Patagonien. Ich kann dem nur vehement widersprechen: Ich war 5 Tage dort und hätte problemlos länger bleiben können. Das Flair ist sehr angenehm, die Stadt ist Touristen gewöhnt aber nicht touristenüberlaufen, und es gibt viele nette Ecken, tolle Ausflugsmöglichkeiten (wenn auch nicht gerade im Low Budget angesiedelt), verschiedene Museen, interessante Denkmäler, tolles Essen und – den Friedhof.

Der Friedhof in Punta Arenas

Friedhof Punta Arenas

Schönster Friedhof Südamerikas? Ich bin überzeugt.

Als ich mich zum Friedhof aufmache, zeigt sich Patagonien von seiner freundlichsten Seite, der blaue Himmel überstrahlt die weißen Grabsteine und lädt ein, auf diesem riesigen Friedhof stundenlang umherzuziehen.
Viele Gräber sind mit Blumen geschmückt, meist Plastikblumen, und eindeutig stehen hier die Einwohner auf rosa, weshalb mir beim diesmonatlichen Thema des Fotoprojektes „Rosa“ sofort dieser einfiel.

Punta Arenas Friedhof

Bevorzugte Farbe der Plastikblumen ist Rosa

Rosa Blumen auf weißem Grabstein

Rosa Blumen auf weißem Grabstein

Von überirdischen Grabkammern über Erdgräbern bis zu riesigen Mausoleen ist auf diesem Friedhof alles vertreten und ich kann verstehen, warum die Stadtbewohner meinen, dieser Friedhof sei der schönste in ganz Südamerika.

Überirdische Grabkammern auf dem Friedhof in Punta Arenas

Der Friedhof in Punta Arenas bei strahlendem Sonnenschein

Friedhof Punta Arenas

Überirdische Grabkammern

Grabsteine Punta Arenas Friedhof

Aufwändige Details an den Mausoleen der Schafsbarone

Grabsteine Punta Arenas Friedhof

Gedenkstein für die gefallenen Deutschen im Falklandkrieg

Als ich durch die Zypressenalleen schlendere, kommt mir ein gar nicht zu den anderen Gräbern passen zu wollender Denkmalstein in den Blick, dunkel und hässlich, mit aus Eisen gegossenen Granaten rechts und links und mit schwarzen riesigen Eisenketten eingefasst.

Gedenkstein Falklandkrieg auf dem Friedhof in Punta Arenas

Gedenkstein für Spee und seine deutsche Besatzung, die im Falklandkrieg starben

Es ist ein Gedenkstein für gefallene Deutsche der Seeschlacht 1914 bei den Falklandinseln, mit Widmung an Admiral Graf Spee und seiner Besatzung, „gefallen für das ferne Vaterland zum ehrenden Andenken“. Mir schauert es über den Rücken beim Anblick und der Worte. Hier, auf einem Friedhof im fernen Südamerika wird mir bewusst, wie sehr ich geprägt bin von der Nachkriegsgeneration meiner Eltern und wie sehr ich diese altdeutsche dunkle Symbolik und Sprache verabscheue.

Das Denkmal des unbekannten Indianerjungen

Das interessanteste Denkmal ist der „Unbekannte Indianerjunge“, der Indiecito Desconocido. Aufgestellt, um an den Völkermord der Ureinwohner zu erinnern und damit einen Gegenpol zu den überpräsenten Mausoleen der mächtigen Schafs- und Handelsbarone zu setzen, allen voran José Menéndez und seiner Tochter Sara Braun, die diesen Friedhof gründeten und die Ureinwohner „zum Abschuss freigaben“ aus der Überzeugung der eigenen Überlegenheit. Die Bedeutung wurde bewahrt, heute werden dem Indianerjungen aber vor allem wundersame Kräfte zugeschrieben, weshalb das Denkmal gut besucht ist.

Punta Arenas, Friedhof, Gedenkstein

Gedenkstein des unbekannten Indianerjungen

Der Indianerjunge ist über und über mit Blumen geschmückt und überall hängen Stein- und Metalltäfelchen mit Bitten für ein besseres Leben und vielen Danksagungen für die Gesundheit der Familie oder speziellen Wünschen, die erfüllt wurden.

Wunschtafeln am Grabstein des unbekannten Indianerjungen

Dem Indianerjungen werden wundersame Kräfte zugeschrieben

Während ich noch versuche, die Täfelchen zu entziffern, kommt eine Familie vorbei. Die Frau senkt den Kopf und betet eine ganze Weile vor dem Indianerjungen, während ihr Mann und der Sohn still an der Seite stehen. Anschließend berührt sie die mittlerweile blank gewetzte linke Hand des Indianerjungen.
Weshalb sie das tat, ich habe wirklich keine Ahnung, aber wann immer ich eine blankgewetzte Stelle an einer Bronzestatue sehe, muss ich sie berühren. Könnte ja helfen oder besser noch: Mich eines Tages zu diesem Ort zurückbringen.

Grabsteine auf dem Friedhof Punta Arenas

Ich schaue mich um, aber außer beim Indianerjungen sehe ich niemanden andächtig herumstehen. Es scheint, dass die wenigen anderen Besucher das Gleiche im Sinn hatten wie ich: Bei diesem schönen Wetter zwischen hübschen Gräbern herumzuschlendern.

Grabsteine auf dem Friedhof in Punta Arenas

Ich warte, bis ich alleine bin, denn ich komme mir irgendwie ein bisschen frevelig vor, ungläubig, wie ich bin, die Kräfte des Indianerjungen für einen so egoistischen Wunsch wie meinen auszunutzen. Schnell laufe ich zur Statue, berühre die Bronzehand und wünsche mir…

Nein. Das wird selbstverständlich erst verraten, wenn der Wunsch in Erfüllung gegangen ist.

Mausoleum auf dem Friedhof in Punta Arenas

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