Es ist jedes Jahr das Gleiche: Pünktlich zum Jahresende steigen die Zugriffszahlen auf meinen Artikel Nichtraucher werden und durchhalten.
Es ist also wieder die Zeit der guten Vorsätze und Wünsche fürs neue Jahr, die sich meist in ToDo-Listen und Selbstoptimierungen wie wie „endlich nichtrauchen“, „mehr Sport machen“, „gesünder essen“, „mehr sparen“ undsoweiter manifestieren. Eigentlich geht es doch aber ums glücklich sein, genauer: um das Gefühl der Zufriedenheit im Leben. Und da kommen wir bereits zum ersten Knackpunkt: Glücklich sein und Zufriedenheit sind nicht das Gleiche. Doch wer zufrieden ist, sagt meistens auch von sich, dass er glücklich sei. Nur streben die meisten von uns eben nicht nach Zufriedenheit, denn das klingt im Instagram-höher-besser-weiter-Zeitalter nach langweiligem Durchschnitt, sondern nach allerhöchsten Glücksgefühlen. Am besten dauerhaft.
Und weil der Druck zur Selbstoptimierung die Latte viel zu hoch gehängt hat, verflüchtigen sich die guten Vorsätze meistens bereits im Februar zu diffusen Wünschen ohne konkretere Handlungen.

Wie also finden wir die richtigen Vorsätze für uns und wie halten wir sie durch?

Auch ich habe gute Vorsätze

Versteht mich nicht falsch: Ich habe gute Vorsätze. Sogar jedes Jahr. Es ist Teil meiner Jahresroutine geworden, am Ende des Jahres Resümee zu ziehen und mir Vorsätze, Wünsche und Ziele zu setzen. Insbesondere, wenn es ein so bescheidenes Jahr wie 2023 war, suche ich nach Möglichkeiten, wie das kommende Jahr besser werden kann. Und ja, jährlich überprüfe ich auch, ob es noch Sinn ergibt, diesen Blog weiterzuführen. Aber letztlich tue ich das alles für mich. Auch diesen Artikel schreibe ich für mich. Wenn er auch für Dich Sinn ergibt oder Du Dir etwas rausziehen konntest, lass es mich in den Kommentaren gerne wissen.

Glücklich sein vs. zufrieden sein

Unsere Vorsätze sollen uns ein glückliches Jahr bescheren. Die Rechnung ist also eigentlich ganz einfach: Wenn wir die richtigen Vorsätze für uns finden, die uns glücklich machen, dann halten wir sie auch durch.

Doch erst einmal: Glück und Zufriedenheit sind nicht das Gleiche. Während glücklich sein meist eine Momentaufnahme darstellt, die auch unsere Hormone in Wallung bringen kann, wird unter Zufriedenheit meist ein längerfristiger Zustand der Bedürfniserfüllung verstanden. Zufriedenheit, so scheint es, ist eher die Grundlage, in der häufige Glücksgefühle entstehen können, während ein kurzer Moment des Glücks wenig zur dauerhaften Zufriedenheit beitragen kann.

Die Finnen sind das glücklichste Volk der Welt, sagt der World Happiness Report bereits zum sechsten Mal. Das mag an der guten Ausbildung auf der Höhe der Zeit liegen (Stichwort Digitalisierung), an wenig Armut, Obdachlosigkeit (hier gibt es Wohnungen, die bereit gestellt werden) oder auch an der offenen Fehlerkultur der Gesellschaft, die sich offenbar stets wertschätzend (und auf Du und Du) einander begegnet. Vielleicht ist Letzteres aber auch nur möglich, weil die Menschen so glücklich sind. Ein klassisches Henne-und-Ei-Problem, wenn man dem Grund auf die Spur kommen will.
Lese ich über die Finnen, habe ich häufig das Gefühl, dass hier vor allem Kreativität gefördert wird. „Einfach mal machen, egal, was rauskommt“ scheint ein Credo zu sein. Scheitern ist lediglich ein üblicher Schritt auf dem eigenen Weg.
Vielleicht sollten wir uns also doch erst einmal darauf besinnen, unsere Vorsätze so auszuwählen, dass unsere Bedürfnisse erfüllt sind und uns mit Zufriedenheit erfüllen. Bewusst auf neue Rituale und Gewohnheiten setzen, die nicht auf einen vermeintlichen Fame einzahlen, sondern auf ein sinnerfüllendes Ziel, zum Beispiel Second Hand einzukaufen, um die Umwelt zu schonen und gleichzeitig mehr Geld für gesünderes Essen oder schöne Reisen zu haben. Ausmisten, um uns besser erholen zu können, weniger mit Kram beschäftigt zu sein und Leichtigkeit zu bringen. Nicht, um es platt zu machen, weil der Instagram-Algorithmus uns sagt, dass wir das tun müssen.
Und so etwas wie ein Luftgitarrenfest kann uns dann vielleicht die Allergrößten Glücksgefühle bringen, weil im Rest unseres Lebens Zufriedenheit herrscht.

Strategien gegen verschiedene Arten der Erschöpfung und für neue Energie

Um unsere Vorsätze durchzuhalten, ist natürlich wichtig, dass wir motiviert bleiben und auch genügend Energie für diese Motivation aufbringen können.
Die Medizinerin Saundra Dalton-Smith ist der Auffassung, dass es sieben Arten der Erschöpfung gibt und gibt Tipps, wie wir diesen entsprechen können. Emotionale Erschöpfung äußere sich zum Beispiel in Niedergeschlagenheit, mentale Erschöpfung in Unkonzentriertheit. Bei letzterer sei es hilfreich, die Aufgaben in Blöcke einzuteilen und sich zwischendurch zu erholen, z.B. mit Meditation oder auch nur einer Runde Hängemattenliegen.
Gegen kreative Erschöpfung, wie es zum Beispiel ein sehr geregelter Arbeitsablauf häufig nach sich zieht, hängt sie in ihrem Krankenhaus Werke lokaler Künstler aus.

Langsam wird mir klar, weshalb ich seit einigen Jahren so viel Spaß daran habe, mir zwischen den Jahren viel Zeit zu nehmen und meinen Jahreskalender oder ein Journal vorzubereiten. Es soll mir auf kreative Weise regelmäßig meine vorgenommenen Ziele vor Augen führen. Spannend ist übrigens, was ich beim zurückblättern jedes Jahr feststelle: Obwohl ich stets das Gefühl habe, zu wenig geleistet zu haben, habe ich meine großen Vorsätze dann eigentlich immer doch zu 80% umgesetzt. Und das ist ja ziemlich großartig.

Dalton-Smith rät, in sich zu spüren, wo es im alltäglichen Rhythmus immer wieder zu Erschöpfung kommt und über Strategien nachzudenken, wie wir entweder dagegen steuern oder auf andere Weise das Energiedefizit wieder auffüllen können.

Vermutlich ist es genau das, was wir alle tun, wenn wir uns gute Vorsätze fürs neue Jahr überlegen: Wir versuchen, an einer Stelle ein Defizit auszugleichen. Eventuell sollten wir unseren Vorsatz allerdings genauer unter die Lupe nehmen.

Realistische Ziele setzen

Übliche Coaching-Tipps sagen, man solle sich Ziele sehr konkret und realistisch vornehmen. Also nicht „Ich will mehr Sport machen“ und auch nicht „Ich will täglich eine Stunde Sport machen“, sondern zum Beispiel „Ich will Dienstags, Freitags und Sonntags 30 Minuten laufen gehen“.
Außerdem solle man sich bewusst machen, wofür man diesen Vorsatz habe und ob das eigentliche Ziel wirklich das Richtige sei, wie auch oben schon besprochen. Laufen gehen, um dünner zu werden, ist hier vermutlich wenig hilfreich, weil „dünn sein“ gar kein intrinsisches Ziel ist, also keines, das aus dem Innern kommt, sondern ein äußerlich auferlegter, vermeintlicher Weg zu gesellschaftlicher Akzeptanz. „Ich will mich leichter fühlen“ würde hier schon besser passen. „Gesünder leben“ vielleicht, aber letztendlich ist die Frage, ob der insgeheime Wunsch überhaupt etwas mit dem Gewicht zu tun hat, und ob nicht das Finden eines tollen Hobbies mit neuen Freunden viel gesünderen Lebensinhalt hätte. Ihr wisst, was ich meine.

Glaskugel mit Lupenansicht am Strand

Die eigenen Vorsätze einmal genauer unter die Lupe nehmen kann sich lohnen.

Ehrliche Fragen an sich selbst stellen

Der Coach und Rapper Michael Curse Kurth hat dazu ein schönes Buch geschrieben: 199 Fragen an Dich selbst. Er fragt zum Beispiel:

Welches Gefühl, welche Angst, Sucht oder Anspannung, welche Dich belastenden Gedanken machen Dir gerade das Leben am schwersten?

Welche Gewohnheiten, Umstände oder Menschen sollte man also loslassen, um frei für Neues zu sein? Alte Gewohnheiten, so heißt es, wird man meist nur los, indem man neue Gewohnheiten einführt. Wir sind also auf einem guten Weg, wenn wir uns etwas Neues vornehmen. Wir müssen nur wissen, wofür dieses Neue denn sein soll.

Vielleicht, denke ich, ist diese Frage sehr gut geeignet, um zu überprüfen, ob die guten Vorsätze eigentlich auf das schöne Leben einzahlen, das wir uns dadurch wünschen.
Vergiss außerdem nie, sagen die meisten Coaches außerdem, Dir nach Deiner Antwort noch 2-3 Mal die Frage „Warum“ zu stellen, um wirklich in die Tiefe zu gucken. „Warum“ ist der heilige Gral für wahrhaftige Antworten, heißt es.
Vielleicht ist es ja auch der heilige Gral für durchgehaltene Vorsätze. Ein Versuch ist es wert.

Mein heißer Tipp für Euch:

The YearCompass. Gibt es gratis in mehreren Sprachen zum Download, ergibt gefaltet ein ganzes Heft, um das alte Jahr zu reflektieren und die wirklich wichtigen Wünsche und Ziele für das neue Jahr zu finden. Mach ich seit Jahren, ist ziemlich Esoterik-frei und eine tolle Idee zum Reflektieren.

Weiterlesen:

Bücher:

  • 199 Fragen an dich selbst*, Michael Curse Kurth.
  • Programmieren Sie Ihr Leben neu*, Saundra Dalton Smith. Erscheint erst im April, ich habe ein Interview und Auszüge gelesen. Der englische Titel „Sacred Rest: Recover Your Life, Renew Your Energy, Restore Your Sanity“ ist ein bisschen passender.

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