Borneo. Bangladesh. Die Arktis. Der Nordpazifik. Die Sahara. Der Sinai. Fukushima. Kabul. Lampedusa. Liberia. München. Nizza. Paris. Somalia. Südafrika. Syrien.

Wer nicht völlig weltfremd ist, hat bei diesen Orten, Regionen und Ländern auch andere Bilder im Kopf als Palmenstrände, spannende fremde Kulturen und Tauchgänge, sondern denkt vermutlich an Hungersnöte, Kriege, Plastikmüll, Regenwaldrodungen, Palmöl-Plantagen, Waffenlieferungen, Seuchen, ertrunkene flüchtende Menschen, Rassismus, rechtsextremer Terror, islamistischer Terror, Naturkatastrophen, Klimaveränderung, Lebensraumverringerung für Tiere, Wilderei, Sklavenarbeit, Armut, Amokläufe, eine unsägliche Textilbranche, Luftangriffe und die ungerechte Besitzverteilung der Welt – man könnte meinen, die Welt ist derzeit ein riesiger Scheißhaufen und wir stehen machtlos mit der Fliegenklatsche davor.

Der Eindruck, den ich überall höre, die Welt sei so schlecht geworden – ist sie das wirklich?

Wir dürfen und sollten nicht vergessen, wie die Zeit vor 20 Jahren aussah:
Als ich mein Abitur mache, werden Ausländer von Nazis durch meine Heimatstadt gehetzt – jedes Jahr an Hitlers Geburtstag. In Ruanda schlagen Menschen anderen Menschen die Gliedmaßen ab – bis zu einer Million Menschen sterben. Sarajevo, gerade mal 800 km von Wien entfernt, wird belagert, Zehntausende sterben durch Hunger und Kämpfe. Im Iran gibt es Bombenanschläge, ebenfalls im Bonner Amtsgericht Euskirchen, bei dem sieben Menschen sterben. In Südafrika wird gerade erst die Apartheid überwunden.

Und wie sah es davor aus?
Erst im Jahr 1964 wird die öffentliche (offizielle) Rassentrennung in den USA abgeschafft, in den 1970er Jahren dürfen Frauen endlich auch in der Schweiz wählen (im allerletzten Kanton übrigens erst seit 1990, entgegen des Männervotums!). Das Baumsterben nimmt in Europa dramatisch zu, FCKW wird ohne Rücksicht in die Atmosphäre ausgestoßen, in Tschernobyl gibt es eine Nuklearkatastrophe.

Liegt der Eindruck, die Welt würde immer schlechter nicht einfach daran, dass die Welt globalisierter, die Berichterstattung schneller und leichter und die Sensibilisierung viel größer ist als früher? Jede rassistische Äußerung landet heute hundertfach bei Twitter, ob ge- oder mit Antikommentar retweetet. Anti-Rassismus ist selbstverständlich richtig und erforderlich, aber nicht positiv für die Psyche. Wer sich täglich die Timelines mit Zeigefingern reinzieht, wo es überall schlecht läuft auf der Welt, wird automatisch zum Glas-fast-leer-Typen. Ich weiß das, ich war ein rebellischer, trauriger Teenager und hörte die Smiths.

Versteht mich nicht falsch, ich bin unendlich dankbar für diejenigen, die sich diesem negativen Rotz tagtäglich aussetzen und mit den Zeigefingern zeigen, aber ich möchte das für mich nicht mehr. Ich glaube, dass es die Zeigefinger geben muss, aber dass die Welt dadurch allein nicht gesunden wird. Wir müssen uns weiter entwickeln, wir müssen Probleme anpacken und wir müssen vieles ändern, aber ich glaube, dass wir das nur mit positiver Energie tun können. Besser gesagt: Die Welt ändert sich ohnehin ständig, versuchen wir doch, sie positiv zu verändern.

Love heals the world of at least somebody.

Hörempfehlung: Comptine d’un autre égé – Long Version

Wir müssen uns um die Umwelt kümmern, dringend. Wir müssen den Plastikmüll in den Griff bekommen und den Wahnsinn der Tierhaltung, weil das zu viele Ressourcen kostet und der Umwelt schadet (Stichworte Treibhausgase, Wasser, Ver-Wüstung), von den Bedingungen für die Tiere ganz abgesehen. Wir müssen uns um den Naturschutz kümmern wie kaum zu einem anderen Zeitpunkt in der Erdgeschichte. Und wir dürfen die Menschen nicht vergessen. Wir müssen uns um Zugang zu Wasser kümmern, und vor allem um die Ungleichheit in der Welt. Natürlich wird es immer einige geben, die machthungrig sind und ohne Skrupel. Aber ich bin fest der Meinung, dass die Menschen in Frieden leben möchten, so lange sie das Gefühl der Gerechtigkeit erfahren.

Die Nationen, die den Konsum auf die Spitze treiben, müssen etwas ändern. Deutschland muss teilen. Deutschland muss aufhören, die halbe Welt mit Waffen zu versorgen. Deutschland ist Exportland und macht sich damit abhängig von der Politik anderer Länder und Lobbyisten, dieses Problem gilt es zu lösen. Es wird keine einfache Lösung geben. Für manche Probleme wird es nur Kompromisse geben. Aber ich glaube, dass wir Einfluss nehmen können. Dort, wo heute eine Mauer steht, kann irgendwann ein Spazierweg sein.

Ich glaube, jede/r einzelne von uns kann mit etwas Gutem anfangen, die Welt zu verändern, und es muss nicht gleich eine Weltumdrehung sein.

Fang da an, wo Du es kannst.

Die Stimmen, die Veränderungen zum Positiven wollen, die den ungleich aufgeteilten Reichtum der Welt, den Konsum auf Kosten anderer, die Leistungsgesellschaft in diesem Maße nicht mehr wollen, werden lauter. Dabei halte ich es allerdings für falsch, die Forderungen so drastisch zu stellen, dass die Menschen überfordert sind. Sei nicht überfordert. Zieh Dir das alles nicht rein. Du musst kein Flüchtlingshelfer werden oder vegan leben oder Dich an einen Regenwaldbaum ketten, um Dein schlechtes Gewissen abzulegen.

Fang da an, wo Du es kannst.

Erzieh Deine Kinder mit Liebe.
Lass eine andere Meinung sacken.
Lies mal eine andere Zeitung.
Sag Deine Meinung, ohne zu brüllen.
Liebe Deinen Nächsten.
Hab keine Angst vor der Gegenwart (sondern lies „Die Säulen der Erde“).
Lass den Coffee-to-Go-Becher bei Starbucks sein.
Spende das Geld an Ärzte ohne Grenzen.
Nimm den Beutel statt Plastiktüte.
Kauf Öl in der Glas- statt Plastikflasche und zahl gerade 60 Cent mehr.
Sei konsumkritisch. Vielleicht ein bisschen.
Lass Deinen Shoppingrausch im Bioladen oder an der Eistheke beim lokalen Eisdealer aus.
Besuch Deine Oma. Vielleicht näht sie Dir das Loch in H&M-Oberteil einfach wieder zu (oder zeigt Dir, wie das geht).
Lach den Veganer nicht aus sondern frag nach seinen Gründen.
Schrei den Fleischesser nicht an sondern frag nach seinen Gründen.
Schreib nicht gleich einen sarkastischen Kommentar unter den gegenderten Artikel, der/die Verfasser*in wird sich etwas dabei gedacht haben.
Mach Dir keine Sorgen. Liebe ist nunmal leiser als Wut.
Hab keine Angst.
Lass das schlechte Gewissen los und fahr mit einem Floß durch Brandenburg.
Frag nach Hilfe, wenn Du sie brauchst. Frag keine Ämter oder Büros, frag Menschen. Du wirst überrascht sein.
Halte am Wegesrand Ausschau, Du wirst einen ganzen Mikrokosmos entdecken.
Regen riecht, wusstest Du das?
Tausche Bücher und Küchengeräte.
Lies Blogs zu Nachhaltigkeit. Und wenn sie Dir schlechte Laune machen, höre damit auf.
Vermeide Palmöl.
Lebe wie Du leben möchtest. Und gestehe dieses Recht auch anderen zu.
Spende Deine Sachen, statt sie wegzuwerfen.
Brauchst Du ein neues Handy?
Stell Fragen.
Sei geduldig, mit Dir und anderen.
Zeig mir Alternativen. Und wenn sie noch so klein sind.

Immer, immer gibt es etwas, was wir tun können (aber nicht müssen). Schauen wir doch nicht dorthin, wo das Negative wohnt, das schlechte Gewissen, die Angst.
Schauen wir dorthin, wo wir Schönes sehen und selbst etwas zum Positiven verändern können. Stärken wir die, die Gutes tun mit unserem Beifall, unseren Retweets, unseren Likes.

Fang da an, wo Du es kannst.
Aber fang an.

#keineangst Wald mit Bäumen

#keineangst