Schon lange habe ich versucht, einen Besuchstermin für die Gebäude von Beelitz-Heilstätten, einem Komplex geschichtsträchtiger Lungenheilanstalten und Sanatorien südlich Berlins, zu bekommen. Erich Honecker verlebte hier seine letzten Tage, und mittlerweile ist das Gelände der Traum fotografischer Expressionisten.
Die Verwalterin, der ich mit mehreren E-Mails auf die Nerven ging, blieb jedoch stur: Es könne lediglich das Gelände, nicht jedoch die Gebäude besichtigt werden. Die wunderbaren Fotos im Internet kursierten angeblich von ausschließlich illegalen Besuchen. Es sei schlicht zu gefährlich, da baufällig.
Dass seit bereits zwei Jahren eine „Fototour“ stattfindet, organisiert von einem Veranstalter, der viele solcher „geheimen“ Orte als Fototour anbietet, sagte sie mir leider nicht. Von go2know erfuhr ich durch einen Zufall im Internet.
Die Tour
Der Veranstalter go2know hat sich mittlerweile einen Namen gemacht, um diverse Lost Places auf legale Weise besichtigen zu können (ich war mittlerweile bereits vier Mal mit denen unterwegs). Man bekommt eine Einweisung und einen historischen Abriss und darf dann ganz in Ruhe eigenständig das Gelände erkunden und stundenlang Fotos schießen.
Als meine Tour nach Beelitz ansteht, herrscht viel Sonnenschein und blauer Himmel. Wir treffen uns am Parkplatz mit den Veranstaltern Andreas und Arnas und laufen gemeinsam hin. 30 Leute, die Tour ist ausgebucht, mehr nehmen sie nicht mit, damit sich die Leute nicht ständig im Foto stehen. Alles scheint ziemlich professionell organisiert zu sein.
Die Tour mag erst ein bisschen teuer erscheinen: Regulär 40 Euro. Davon landet aber nicht nur etwas in den Taschen der Veranstalter und des Besitzers, ein Teil fließt auch in die Verwaltung der besichtigten Gebäude – in diesem Fall z.B. wird davon endlich ein effektiver Wachschutz bezahlt, der seit einiger Zeit dafür sorgt, dass die Gebäude von Beelitz-Heilstätten nicht noch mehr zerstört werden. Wie manche – getreu der Broken-Windows-Theorie – herumgewühlt und ihrer Zerstörungswut freien Lauf gelassen haben, macht mich echt fassungslos. Einige Zeugnisse sind auf den Fotos zu sehen.
Währen die TeilnehmerInnen herumlaufen und jeden Winkel ablichten, helfen Arnas und Andreas bereitwillig bei sämtlichen Fotografie-Fragen und sind sich auch nicht zu schade für Anfängertipps. Außerdem geben sie Auskunft über das Gelände und dessen Geschichte und haben mittlerweile ein beachtliches Detailwissen mit vielen schönen Geschichten und Anekdoten. Meine Befürchtung, ein bisschen blöd mit meiner kleinen Bridge-Kamera auszusehen und nur Fotografen um mich herum zu haben, verflüchtigt sich schnell. Die Truppe ist heterogen, die Stimmung gut.
Nach vier Stunden bin ich platt – fotografieren ist anstrengend, wie eine stundenlange Dauerkonzentration, auch wenn es viel Spaß macht, und obwohl ich noch eine Stunde länger bleiben dürfte, nehme ich den nächsten Zug zurück nach Berlin.
Trotz kleiner Bridge, die eigentlich im Dämmerlicht immer Probleme macht was das Rauschverhalten angeht, bin ich zufrieden mit meiner Ausbeute. Ich liebe diesen dunklen, morbiden Kram, was nicht jedermenschs Sache sein mag. (Zum zweiten Teil der bearbeiteten Fotos geht es übrigens hier entlang.)
Da ich ein bisschen Musik-abhängig bin und vor allem beim Schreiben und Fotos auswählen eine besondere Stimmung brauche, gibt es heute zu den Fotos einen Hörtipp dazu: Chopin, Klavierkonzert Nr. 2, Opus 21. Mein Chopin-Favorit.
Fotogalerie
Weiterlesen: |
TTT – TierischeTouriTipps
- Anbieter: http://www.go2know.de/
- Beelitz-Heilstätten ist ein riesiger Komplex. Go2Know bietet Touren immer nur zu einem bestimmten Gebäude. Ich war im Männersanatorium, was alleine schon riesig war. Zu empfehlen ist Blitz und Stativ und lichtstarke Objektive.
- Die beste Samstagnachmittagverschwendung.