Es ist viel passiert in diesen Tagen. Weihnachtsvorbereitungen, leuchtende Augen an Kindergeburtstagen, Familienfeiern, neuer Job. Pläne für 2017 geschmiedet – und verworfen. Weihnachtspost machte mich sentimental. Menschen sind gestorben. Der kleine staubbedeckte Junge aus Aleppo brach mir erneut ein Stück meines Herzens, wie so viele andere Meldungen dieser Tage.

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Leben 1.0

Privat geht es mir blendend. Meine neue Arbeit, die ich stundenreduziert mache, ist großartig. In dieser Firma habe ich schon einmal gearbeitet und ich habe die Kollegen vermisst, jetzt ist es ein bisschen wie nach Hause kommen.
Mir wurde außerdem ein Buchvertrag angeboten – ich springe auf einem Bein hüpfend durch die Gegend. (Und sage Euch natürlich Bescheid, was daraus wird.)
Mein Kalender ist sehr gut angekommen, was mich total freut und in 2017 wird es eine noch bessere Neuauflage geben, dann endlich mit Umweltschutzpapier, was sich als gar nicht so leicht herausstellt, ich suche immer noch eine geeignete Druckerei.
Ich möchte endlich einen Newsletter machen, denn ich habe so viele Inhalte, die ich nicht auf dem Blog veröffentliche, und von Facebook möchte ich nicht abhängig sein.

Next stop: Die Finnmark in Nord-Norwegen

In nur drei Wochen werde ich das erste mal Lappland bereisen. Aber nicht irgendein Lappland, sondern die Finnmark, den äußersten Norden Norwegens, weit oberhalb des Polarkreises und dorthin, wo die Sonne gerade nicht mehr aufgeht. Durch Zufall habe ich Nils kennen gelernt, einen echten Samen, der dort noch seinen Lebensunterhalt mit Rentieren verdient. Wie selbstverständlich telefonierten wir über Facebook – das Leben da oben ist eben etwas anders. Ich bin jedenfalls schwer gespannt und musste mit einen neuen Wintermantel zulegen, denn für solche Temperaturen bin ich gar nicht mehr ausgerüstet. Wer jetzt lacht: Nee, im antarktischen Sommer ist es viel wärmer, um die 0 Grad. In der Finnmark sind es eher -30.
Bald werde ich also Rentiere streicheln und kann es kaum abwarten. Darf man Rentiere streicheln?

Leserpost

In meiner Post gestern waren „Notfall-Schneeflocken“ von einer Leserin, die meinen Artikel über Schneeflocken gelesen hatte – ist das nicht zauberhaft?!
Danke liebe Doris, die Postkarte hat mich fast zu Tränen gerührt. So eine wunderbare Geste in diesen sonst so menschenfeindlichen Tagen.

Postkarte "Notfall-Schneeflocken"

Leserpost: Notfall-Schneeflocken für ein leider bisher schneeloses Berlin – Danke Doris!

Angst

Als der Lastwagenfahrer in den Weihnachtsmarkt fuhr, war ich gerade in Jena bei einem Teil meiner Familie. Das erste Mal die Sicherheitsfunktion auf Facebook zu benutzen fühlte sich komisch an und wurde bei uns schwer diskutiert. Macht sie das Ereignis nicht größer, als es ist, insofern, dass es wirklich Pech und großer Zufall ist, bei einem Anschlag in Berlin ausgerechnet unter den Opfern zu sein? Trägt das nicht zu dem falschen Eindruck bei, heute würde so viel passieren, obwohl gesamt gesehen es hier noch nie so friedlich war? Aber es sind einige Menschen gestorben und das Sich-Sorgen-machen ist so menschlich.

Habe ich Angst? Nein.

Seit ca. drei Jahren schaue ich mich in der U-Bahn um, denn immer, immer dachte ich, der erste Anschlag würde in der U-Bahn begangen, weil man dort so leicht so viele Menschen treffen kann. Rechne ich also irgendwie damit? Ja, schon. Aber ich rechne auch damit, von einem bescheuerten Autofahrer überfahren zu werden, oder dass ein Fahrradfahrer in mich reindonnert, und ich rechne mit Brustkrebs.

Wirklich Angst macht mir derzeit nur das populistische Geschrei irgendwelcher Rechten und es macht mir Angst, mit welcher Selbstverständlichkeit ein Kunde aufgrund eines ausländischen Namens völlig ausklinkt und eine offen nationalistische Hetzschrift gegen unseren Mitarbeiter ablässt – schriftlich wohlgemerkt, zum Nachlesen. Dass solche Worte heute wieder in Deutschland möglich sind, ohne Scham, ohne Anstand, ohne Moral, ohne jeden christlichen Wert (auf die sich der Hetzende seltsamerweise beruft), mit einem riesigen Haufen rassistischer Denkweisen, die Menschen in verschiedene Werte einteilen, sowas macht mir wirklich Angst.

Dass mich Menschen, die ich lange kenne, auf Facebook entfreunden, nur weil ich Menschen willkommen heißen möchte, macht mir Angst, und vor allem macht mir Angst – und das macht mir ganz besonders Angst-, dass so viele Menschen nach eigener Aussage nicht mehr „an die Demokratie glauben“. Ob sie sich den Nationalsozialismus oder die DDR zurückwünschen, wird nicht ganz klar, aber ich frage mich, wo es in der Bildung eigentlich gehapert hat, dass diese Menschen anscheinend meinen, sie hätten dann mehr Einfluss auf ihr eigenes Leben und Umfeld.
Das macht mir Angst vor der nächsten Wahl. Und auch die Vorstellung, dass Trump bald in den USA Präsident sein wird, finde ich schwer gruselig.

Konsumwirtschaft und Konsumgesellschaft

Der Neid macht mich sprachlos. Ich glaube nicht, dass Menschen Angst haben, und dass daraus Wut wird und dann Hass. Das mag bei einigen so sein, ich aber sehe unter den Lügenpresse-Rufern und Populistenschreiern keine ängstlichen Menschen, nur Menschen, die vor Neid zerfressen sind, weil sie nicht so viel Kohle auf dem Konto haben wie Donald Trump und sich keine güldene Löweneinrichtung leisten können. Man könnte vielleicht von der Angst sprechen, etwas zu verlieren. Aber das ist keine Angst. Wer niemanden von seiner Pizza abbeißen lassen möchte, ist nicht ängstlich, sondern ein Arschloch.

Hausfassaden und Dächer in Görlitz

Ich habe das Gefühl, da hat sich in der Gesellschaft etwas verändert, Werte haben sich verändert. Jemand titelte neulich so schön, aus der Konsumwirtschaft sei eine Konsumgesellschaft geworden, die all ihre Werte an Geld und Kaufkraft aufhängt, und ich finde, das trifft es ganz gut. Ist Konsum eventuell eine Sucht?

Aber natürlich bin ich auch fassungslos über den Attentäter, der immerhin jetzt nie wieder eine Gemeinschaft zerstören kann. Wie jemand so menschenverachtend sein kann. Ich bin auch fassungslos über eine Reihe anderer Menschen, die hier aufzuzählen aber nicht ganz korrekt wäre. Mit einem Attentäter möchte niemand aufgezählt werden.
Ich habe das erste Mal nach vielen Jahren gebetet, auf meine eigene Weise. Ich habe für diese Menschen gebetet, bei denen für meine Auffassung irgendwas total schief läuft. Schöner als ich aber können es meine geschätzten Musikerfreunde Franziska Günther und Peter Jack von Chelsea Radio mit dem Lied ausdrücken, das ich oben als Empfehlung gegeben habe:

Send your angels down

Let their voices reach his ear
With a song that soothes longing and fear
Make their soft hands warm his cold heart and smooth his frown
Send your angels down.

Weihnachtswünsche

Ich werde jetzt noch letzte Geschenke packen und dann mit dem Mann und der ganzen Patchwork-Familie Weihnachten feiern, denn das ist möglich. Versöhnungen sind möglich und das Miteinander ist möglich, auch wenn man sich nicht immer grün ist. Und Engel muss uns hier niemand mehr schicken, die sind schon längst angekommen und werden dringend woanders gebraucht.

Ich wünsche Euch allen ein friedliches Weihnachtsfest, nehmt Eure Liebsten in den Arm und toleriert die weniger Liebsten
/Inka

Frost auf Baumspitzen