Venedig im Winter sei so wunderbar, hatte es mir aus verschiedenen Kanälen in den letzten Monaten entgegen geschallt. Und weil der Mann ohnehin etwas beleidigt war, als ich im letzten Sommer die inoffizielle Stadt der Liebe im Alleingang erkundete, hatte ich ihm ein Venedig-Wochenende anlässlich unseres Jubiläums geschenkt. Italien ist ja ohnehin immer eine gute Idee.
Es hätte vielleicht eher eine Karte für die Therme in Brandenburg sein sollen, denn was mir vorher nicht klar war: Das Venedig Wetter ist nicht immer Bella Italia, und das wasserreiche Venedig pustet die feuchtkalten Winde umher, so dass die gefühlte Kälte es glatt mit jener in der Antarktis aufnehmen kann.
Während des Fluges konnten wir einige grandiose Blicke auf die sonnenbeschienenen Alpen erhaschen – es sollten die letzten Sonnenstrahlen für das Wochenende sein.
Burano
Burano. Wir schlüpfen aus dem Vaporetto und laufen, gegen den Wind gestemmt, auf die andere Straßenseite, um unter den Markisen Schutz vor dem Regen zu finden. In der Jackentasche fische ich nach dem Objektivdeckel, aber meine steif gefrorenen Finger erkennen weder Beschaffenheit noch Material der ganzen Dinge, die sich wie jeden Winter darin angesammelt haben: Taschentücher, ein paar Kastanien, ein Fingerhandschuh gegen kalte Finger beim Fotografieren, Notizzettel, Outdoor-Handy. Dieses Mal noch dabei: die Fährfahrkarten für die Vaporettos, ein kleiner Stadtplan, ein Zimmerschlüssel. Kein Objektivdeckel, ich habe ihn mal wieder irgendwo hingesteckt und werde es nie lernen, die Mitreisenden auf meiner stetigen Suche nach Objektivdeckeln nicht in den Wahnsinn zu treiben.
Ich lasse die Kamera am Band um meinen Hals nach unten baumeln und schütze das Objektiv grob mit meinen Händen vor Venedigs Wetterlaunen.
Giudecca
Das Hostel, das wir auf der Nebeninsel Giudecca gebucht haben, entpuppt sich lagemäßig als perfekt, das Zimmer jedoch ist eine Enttäuschung: Was auf den ersten Blick ein gemütliches Dachzimmer ist, ging uns nach einem Tag dunklem Grau draußen und Finsternis drinnen gehörig auf den Nerv. Die Fenster bestanden lediglich aus schmalen, vergitterten Schlitzen, dabei hätte der Ausblick grandios sein können.
Die Lampen so dunkel, dass kaum ein Buch lesbar war. Da half nur gemütliches Einkuscheln im großen Doppelbett.
Zum Markusplatz waren es allerdings nur wenige Minuten mit dem Vaporetto, eine direkte Verbindung zum Busbahnhof nach Westen und zu den Inseln Murano und Burano ostwärts machte die Lage zu einem wunderbaren Mittelpunkt für sämtliche geplante Ausflüge, bei denen es mir vor allem darum gegangen war, händchenhaltend mit dem Mann das warme Winterlicht Italiens im Sonnenuntergang zu genießen. Wie das aber immer so ist, wenn die Erwartungen zu konkret sind: Es kommt anders.
Tatsächlich hätte ich geschworen, dass es in Venedig nie so dunkelgrau wie im deutschen Winter werden könne – ich hatte mich getäuscht.
Nachdem uns die feuchte Kälte in die unvorbereiteten Nicht-Regenklamotten gezogen war, entschlossen wir uns, mit dem Vaporetto eine Weile herumzufahren, um uns aufzuwärmen. Dass das nicht funktionierte, weil die Wasserbusse gar keine oder keine richtige Heizung haben, wurde schnell klar, aber wir waren zu faul und vom Regen zu genervt, um wieder auszusteigen. Die Toteninsel ließen wir links liegen – zu ungemütlich die Vorstellung, jetzt auch noch zwischen Gräbern spazieren zu gehen.
Irgendwann endeten wir in Burano.
Bunte Häuser in Burano
Die kleine Insel Burano in der Lagune von Venedig ist längst kein Geheimtipp mehr und von wenigen Touristen kann trotz des Regens kaum die Rede sein. Wäre es nicht so verdammt arschkalt und würde der Wind nicht Forrest-Gump-mäßig dafür sorgen, dass wir vom Regen von allen Seiten besprenkelt werden – es könnte fast zauberhaft sein.
Burano ist winzig und sehr touristisch, aber nichts kann den Charme der bunten Fischerhäuser zerstören, die hier dicht an dicht stehen, in allen Farben leuchten und dennoch diesen perfekten italienisch-morbiden Touch haben, bei dem wir uns fragen, ob die Italiener die Farbe schon so gekonnt auftragen können oder ob die Häuser tatsächlich seit Ewigkeiten nicht mehr gestrichen worden sind.
Die Idee zur vielseitigen Farbgebung sollen die Fischer gehabt haben, die regelmäßig sturzbesoffen ihre eigenen Häuser nicht mehr gefunden haben – die europäische Version des Bo Kaap-Viertels in Kapstadt. In Kapstadt war es allerdings die Leseschwäche der Bewohner, die die Idee zur Farbgebung als Wegweiser gab.
Burano ist außerdem für seine aufwändigen Spitzenstickereien der Nadelspitzen-Technik Reticella berühmt – es scheint hier kaum etwas anderes in sämtlichen Läden zu geben.
Schutz vor dem Regen finden wir in einem Café, in dem ein Stück Pizza gerade einmal 5 Euro kostet, was angesichts der Preisgestaltung in Venedig an ein kleines Wunder grenzt. Touristen hasten in billigen Regencapes vorbei, die genauso bunt sind wie die Häuser.
Ein bisschen fühlt es sich an, als sei alles inszeniert.
Fotografisch gesehen ist hier Regen eine wunderbare Sache: Die Häuser spiegeln sich nicht nur in den Kanälen, die die winzige Insel in vier Teile zerteilt, sondern auch auf dem Asphalt. Das Dunkelgrau des Himmels perlt von den bunten Häusern ab wie der Regen von den Regenschirmen. Der Regen bringt die schönsten Bilder hervor.
Leider bin ich viel zu durchgefroren, um diesem Anblick lange zu frönen. Nach kurzer Zeit setzen wir uns wieder ins Vaporetto zurück zu unserem Hostel.
Venedigs Fassade
Auf dem Rückweg sehe ich durch das regenvertropfte Fenster die alten, wunderschönen Häuser, die trotz des grauen Wetters – oder vielleicht gerade deswegen – ihren alten Charme ausstrahlen. Venedig ist wie ein riesiges Open Air Museum. Vieles ist nicht mehr real, wird nicht mehr alltäglich genutzt und dient nur noch zur Schau, und mir tun die Einwohner deshalb irgendwie leid. Wie ist es wohl, nur noch für den Tourismus zu leben?
Venedig Bilder von der Hauptinsel
Am letzten Tag macht der Regen wenigstens zwischendurch mal eine Pause und wir gönnen uns einen Gang durch Venedigs Altstadt auf der Hauptinsel. So hat der Mann wenigstens kurz einen Eindruck vom Gassengewirr, in dem man sich so schön verlieren kann.
Venedig ist tatsächlich wunderschön, wie ein Stück wertvolle Geschichte in der Glasvitrine. Ich würde immer wieder hierherfahren. Nur vielleicht nicht mehr im Winter.
TTT – TierischeTouriTipps
Unterkommen
Schon beim letzten Mal fiel mir die Empfehlung für eine Unterkunft schwer, ich war nicht sonderlich begeistert vom Preis-Leistungsverhältnis. Das Generator-Hostel auf Giudecca* hatte viel Anklang bei anderen Bloggerkollegen gefunden, also habe ich es dieses Mal ausprobiert. Es mag Doppelzimmer geben, die nicht ins Dachgeschoss gequetscht sind, dann ist der Preis von 130 Euro (im Angebot!) vermutlich gerechtfertigt, ich fand es viel zu dunkel und mir fehlte ein richtiges Fenster. Die Einrichtung selbst ist sehr schön schlicht, die Betten und das Bad wunderbar und der Aufenthaltsraum unten wirklich sehr gemütlich. Zudem ist die günstige Pizza (6-8 Euro) wirklich zu empfehlen (im Gegensatz zu den Pastagerichten), was uns entgegenkam, weil wir wirklich keine Lust mehr hatten, uns durch das kalte Venedig zu quälen, um irgendwo etwas zu Essen zu finden. Abzug bekommt das Hostel, weil die Küche nicht selbst verwendet werden darf. Dafür gibt es ein günstiges Frühstück.
Hier ist es also sauber, bequem und die Lage ist wunderbar. Der Preis ist dennoch – wie überall in Venedig – völlig überteuert.
Wer allerdings am Abend und frühen Morgen die stillen Gassen und Spiegelungen des Wassers fotografieren will, sollte unbedingt auf der Hauptinsel übernachten, denn die Vaporettos fahren erst ab ca. 7 Uhr und die schöne Zeit ist vorher. Bei meinem dritten Besuch war ich deshalb mit Mann und Kind wieder mitten drin im Gewusel auf der Hauptinsel, nur drei Minuten von der Rialto-Brücke entfernt und fand es wunderbar, für lediglich 120 Euro in der Residenza Grisostomo*. Absoluter Knaller war der Eingang: Wir bekamen zuvor eine sehr gute Beschreibung, sonst hätten wir wohl kaum gedacht, dass diese superschmale Gasse zu einem Hauseingang führt. Venedig eben. Die Zimmer sind sauber, das Interieur angeschrabbelt, das Badezimmer nicht sehr toll. Damit kann ich leben. Mehr in meinem ersten Artikel über Venedig.
Öffentliche Verkehrsmittel
Mit Schrecken habe ich gehört, was andere für die öffentlichen Verkehrsmittel gezahlt haben, dabei muss es nicht unglaublich teuer sein: Direkt am Flughafen gibt es am Ticketschalter (großer Glaskasten mit mehreren Schaltern in der Ankunftshalle) die Venedig Card für 24, 48 oder 72 Stunden, mit der man alle Vaporettos inklusive denen nach Murano und Burano fahren darf. Wir haben die 48 Stunden-Karte genommen und dafür 31 Euro pro Person gezahlt. Man spart definitiv, denn eine einzige Fahrt mit dem Vaporetto kostet bereits 8 Euro.
Wissens- und sehenswert
Nach Murano dauert es keine 15 Minuten von der Hauptinsel aus und etwa eine halbe Stunde von Giudecca. Burano liegt noch etwa 20 Minuten weiter entfernt und ist definitiv bei jedem Wetter sehenswert. Murano hingegen fand ich etwas langweilig, wenn man wie ich nicht auf Glasbläsereien steht. Sicherlich auch noch sehenswert: Die Friedhofsinsel, die kurz vor Murano angesteuert wird. Die habe ich leider – erneut – wegen des Schietwetters ausgelassen.
Auch weitere Inseln sind sehenswert. Die geschätzte Kollegin von Hidden Gem hat einen wunderbaren Artikel mit vielen Hintergrundinformationen über Venedigs geheime Ecken veröffentlicht.
Wetter in Venedig
Im Winter kann es nicht nur sehr kalt werden, sondern es kann zudem auch noch Hochwasser geben, das berühmte Acqua Alta. Venedig ist darauf jedoch gut vorbereitet, überall stehen die künstlichen Stege bereit. Man sollte jedoch allerdings nicht gerade Ballerinas für den Besuch anziehen sondern hier zu den wasserfesten Wanderstiefeln greifen. Die Venezianer sehen es einem nach.
Anfang Mai hatte ich übrigens hervorragendes Wetter und kaum mehr Touristen in der Stadt. Für die schönen Nebeltage ist anscheinend der November besser geeignet.
Weitere Artikel
- Venedig – die überflüssigste Tipp-Liste inklusive gratis TMI: Wusstest Du, dass Tauben in Venedig Vorfahrt haben, was das Venedig-Hunderätsel ist und wann die beste Zeit zum Fotografieren? Ich habe da mal ein bisschen recherchiert.
- Venedig in Postkarten: Ich habe meine Streifzüge durch die Stadt mit alten Postkarten abgelichtet.
- Artikel mit vielen Hintergrundinformationen über Venedigs geheime Ecken
Seit 15 Jahren ist Inka Redakteurin, Reisebloggerin und Autorin in Berlin und Brandenburg. Sie hat mehrere Reiseführer über die Region geschrieben und veröffentlicht ihre Tipps und Geschichten im Spiegel, Tagesspiegel und verschiedenen Magazinen. Außerdem Möchtegernentdeckerin, Liebhaberin der polaren Gebiete unserer Erde und abschweifend in der Welt. Hier Chefin vom Dienst.
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