Locker und lässig springt der Guide über die Gletscherspalte. Nicht, dass sie besonders breit wäre, aber sie ist unheimlich tief, so tief, dass ich den Grund nicht sehen kann, sonst müsste ich mich sehr weit vorbeugen, um direkt in das dunkle Blau hinunterzuschauen, doch das, warnten uns die Guides hier auf den Gletschern Islands, sollten wir dann doch mal lieber tunlichst unterlassen.
Denn so ein Gletscher arbeitet, er wandert, und zwar immerhin so schnell, dass die Guides jede Woche eine neue Route für die Gletscherwanderung finden müssen.
Auf dem Sólheimajökull Gletscher in Island haben wir eine geführte Gletschertour gebucht und sind zusätzlich noch Eisklettern gewesen. Das Wetter war grauenvoll, das Erlebnis dennoch einmalig und ich möchte es nicht vermissen.
Inhalt des Artikels
1. Gletscherwanderung auf Island
2. Der Gletscher Sólheimajökull
3. Eisklettern auf dem Sólheimajökull
4. Schafe spuckende Gletscher
5. TTT – TierischeTouriTipps
1. Gletscherwanderung auf Island
Es gibt viele Möglichkeiten, in Island eine Gletschertour zu unternehmen. Wir haben uns für den Solheimajökull entschieden, weil der sehr praktisch im Süden auf der Strecke liegt. Wir haben auf der Fahrt von unserer Hütte westlich von Reykjavik zur Gletscherlagune Jökulsárlón die Tour am Vormittag gemacht und sind dann abends in Höfn angekommen. Der nächste Tag war dann für Jökulsarlon reserviert. Konkrete Tipps zur Gletschertour findest Du am Ende des Artikels unter den TTT – TierischenTouriTipps.
Mehr zu unserer Island-Tour findest Du hier: |
2. Der Gletscher Sólheimajökull
Der Solheimajökull ist eine Gletscherzunge des Mýrdalsjökulls. Man erreicht ihn von der Ringstraße aus über die 221, eine unbefestigte Straße, die man nur mit einem 4W-Drive befahren sollte.
Es ist heute kalt und windig und regnerisch, schon der Weg zum Gletscher hatte einmal wieder diesen unheimlich-halbgruselig-grau-typischen Islandtouch.
„You are wrong in Iceland, if you don’t like this weather“, hatte mir jemand gesagt, Du bist falsch in Island, wenn Du dieses Wetter nicht magst. Ja schon, ich bin ein kältemögender Mensch und mag auch Regen, wenn der mir aber den Himmel so grau macht, dass die Fotos oll aussehen, bin ich dann doch ein bisschen angepisst.
Doch eigentlich macht das Wetter nichts, ich werde sowieso nicht allzu viele Fotos machen können. Wir tragen zwar ordentliche Steigeisen, die sind aber erst einmal ziemlich ungewohnt und ich muss aufpassen, wohin ich trete. Außerdem muss ich für die Sicherheit noch dieses komische Eisending in der Hand halten, mit dem ich mich zur Not festhaken kann.
Mittlerweile ist es so feucht, dass Emma, meine Kamera, mal wieder ihre neurotische Nässescheuheit packt und ständig in Ohnmacht fällt. Ich kann sie immer wieder nur kurzfristig aufpäppeln, indem ich den Akku kurz herausnehme. Ein Gebaren, was sie sich nach ihrem offensichtlich traumatischen Scheintod in der Antarktis zugelegt hat.
Der Sólheimajökull ist außerdem nicht sonderlich fotogen, denke ich jedenfalls anfangs noch: Schwarzdreckige Lavaasche überzieht den gesamten Gletscher. Mit dem Vorzeigegletscher Perito Moreno in Patagonien ist er deshalb nicht zu vergleichen, sehr gerne würde ich aber die Kombination aus blauen Eisspalten und grauer Lavaasche mal bei schönem Wetter sehen, das muss ziemlich toll aussehen. Jetzt aber hängen tiefdunkle Wolken am Himmel und ich habe Mühe, ein paar Fotos hinzubekommen, die annähernd diese gigantischen Eismassen in ihrer ganzen wunderbaren Weite zeigen. Warum manche Stellen im Eis blau leuchten habe ich *hier* versucht zu erklären.
3. Eisklettern auf dem Sólheimajökull
Ich ziehe meine Kapuze dichter, denn jetzt geht es schon ans Klettern. Während die Jungs von Arctic Adventures die Seilsicherungen anbringen, überlege ich, wie zum Teufel ich diese 6-7 Meter hohe Eiswand raufkommen soll.
Aber die beiden machen ihren Job und feuern jeden von uns ordentlich an. Tatsächlich geben meine Wanderschuhe, die eher für Bergwandern denn zum Bergsteigen gemacht sind, auf den ersten Metern ordentlich nach, bis ich den Dreh raus habe und mit ganzer Anstrengung sogar oben ankomme.
Boah, wat bin ich stolz, das erste Mal Eisklettern und ich hab es bis nach ganz oben geschafft, yai!
Nein, Scherz beiseite, in Wirklichkeit war das natürlich super einfach und ging total fix:
Und der Mann hat es sogar ganz ohne Sicherung gemacht, logisch.
4. Schafe spuckende Gletscher
Mit Rest-Adrenalin im Blut geht es jetzt laufenderweise weiter ein ganzes Stück den Gletscher hinauf und die Guides erzählen uns einiges zur Entstehung und den Eigenschaften des Gletschers, so sind z.B. viele der Löcher durch Wasser entstanden, das sich ins Eis bis zu hunderte Meter tief eingraben hat. In eines dieser Löcher lassen wir einen Stein fallen – es dauert ewig, bis wir hören, dass er auf dem Wasser aufschlägt.
Das Wasser fließt subglazial, also unter dem Gletscher wieder heraus und früher kam es so manches mal vor, dass mit dem Wasser ein kleines Lamm ausgespuckt wurde, wird uns erzählt.
Schafe auf einem Gletscher? Ja, tatsächlich ist westlich des Gletschers ein grüner Hügel zu sehen, der früher zu einer beliebten Region gehörte, um die Schafe im Sommer weiden zu lassen. War ein Lamm unerfahren oder unachtsam, fiel es in eine der Spalten. Mit Glück überlebte es sogar.
Ich möchte mir trotzdem nicht vorstellen, hier hineinzufallen.
Der Solheimajökull ist, wie fast alle Gletscher dieser Welt, rückläufig. Der Blick ins Tal zeigt genau, wo der Gletscher früher entlangfloss.
Je länger wir auf dem Gletscher herumwandern, umso schöner finde ich die gruselig-graue Stimmung und entdecke einmal wieder meine Lieblingsfarbe in neuen hübschen Facetten. Islands Gletscher sehen wegen der Vulkanasche häufig sehr schmutzig aus.
Als wir die letzten Meter zum Parkplatz hinabsteigen, fängt es tierisch an zu schütten – ein gutes Timing, hier jedenfalls sehe ich sowas positiv. Das ist eben Island.
5. TTT – TierischeTouriTipps
Anbieter für die Gletschertour:
- Es gibt mehrere Unternehmen, die Gletscherwanderungen und Eisklettern anbieten. Unsere „Blue Ice“-Tour wurde von Arctic Adventures organisiert, dauert 3 bis 4 Stunden und kostet 140 Euro plus Aufschläge, falls man in Reykjavik abgeholt werden möchte oder die Schuhe für das Eisklettern ausleiht, genaue Preise finden sich auf der Webseite. Das Team war super nett und sehr zu empfehlen.
- Vorherige Reservierung ist erforderlich, für die Hauptsaison frühzeitig, denn die Gruppengröße soll überschaubar bleiben und die Touren sind daher häufig ausgebucht.
Ausrüstung:
- Die Ausrüstung wie Spikes, Pickel und Helm wird gestellt. Unbedingt angeraten sind natürlich warme und regendichte Klamotten inklusive Handschuhe.
- Auch eine Plastiktüte für die Kamera ist nicht zu verachten, falls es regnet.
Disclaimer: Vielen Dank an Arctic Adventures, die mich netterweise zu dieser Gletscherwanderung einluden. Ein besonderer Dank geht an die beiden Guides, deren Namen ich mir frevelhafterweise nicht aufgeschrieben habe und an den herrlichen roten Bart, der tapfer alle unsere ungelenken Eiskletterversuche aufs Höchste lobte.
Ebenfalls ein besonderes Dankeschön auch an den Mann, der mir zum obigen GIF verhalf und außerdem (einmal wieder) seine Modelqualitäten unter Beweis stellte.
An die Kinder und Kindgebliebenen: Selbstverständlich klettern wir nicht ohne Seilsicherung, gell! In Wirklichkeit sah der Mann nämlich etwa so aus:
Merke: Glaub nicht alles, was Du siehst.
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